Homo ambrosius (Die Organhändler) (German Edition)
der Firma erhebliche Gewinne ein – für die Familie Feng. Chen hatte in der Folge eine Reihe von Aufträgen im Pharmaumfeld ausgeführt. Dabei war er wieder auf die Firma ORGANICA gestoßen, deren Analysetechniken die Fengs genutzt hatten, als sie vor Jahren eine Spenderlunge für Dérúgo Fengs Tante suchten. Chen wies Dérúgo Feng auf das Potenzial der Firma hin, und bald darauf entwickelten sie gemeinsam ihr Geschäftsmodell – das ihn jetzt in die Bredouille brachte.
Ao Chen hatte gerade festgestellt, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er starrte immer noch auf die Mail, die er soeben gelesen hatte. Die Kreditkartennummer in dieser Mail würde unweigerlich zu ihm führen.
Dabei hatte sich ursprünglich alles so gut entwickelt. Sie hatten die Abteilung, die gegen den organisierten Organhandel in der EU ermitteln sollte, nach Deutschland geholt und so unter ihrer Kontrolle. Der Abteilungsleiter galt als ausgebrannt, niemand traute ihm etwas zu. Über Polinski hatten sie ihn mit einem Fall versorgt, der seit Monaten die Presse und die Politiker in Deutschland beschäftigte. In den nächsten Tagen hätten sie ihm etwas Neues zugespielt.
Auf die Weise konnten sie Konkurrenten, die sich auf dem Markt tummelten und immer wieder versuchten, in Europa Fuß zu fassen, über die Klinge springen lassen. So wären alle zufrieden und erfolgreich gewesen. Doch leider hatte von Bösental ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Die Mail mit seiner Kreditkartennummer kam von Martin Polinski, er hatte sie an ihn weitergeleitet. Sie war von Lisa Schlattmann an Lisa Schlattmann gesendet worden, vermutlich, um die Daten im Mailsystem des BKA zu speichern.
Der folgenschwere Satz in Schlattmanns Mail lautete: „Hotel Jumeirah – George Blony, südafrikanische Staatsangehörigkeit, Kreditkartennummer: 6700 0000 8976 5646.“
Er erinnerte sich genau an den verregneten Mittwoch vor vier Jahren. George Blony arbeitete damals noch nicht für ihn, er sollte für die Sache gewonnen werden. Blony kam aus London, Chen holte ihn am Frankfurter Flughafen ab und brachte ihn mitten in der Nacht ins Hotel. Früh am nächsten Morgen flog Blony schon weiter.
Das Hotel ließ Chen über eine Sekretärin der Chinesischen Europäischen Investmentbank buchen – er delegierte das an sie, da gerade eine große Messe in Frankfurt war und die Suche nach einem Zimmer sich wie die nach der berühmten Nadel im Heuhaufen gestaltete. Die Buchung bestätigte die Sekretärin mit seiner Firmenkreditkarte, deren Nummer nun in Lisa Schlattmanns Mail aufgetaucht war. Das war der Fehler.
Er wusste, dass die BKA-Ermittler gerade die Fünfsternehotels in und um Frankfurt abfuhren. Sie gingen nach der Liste dieses Privatdetektivs vor, den von Bösental engagiert hatte. Spätestens morgen würden sie George Blonys Daten in einem anderen Hotel finden und sich auf ihn konzentrieren. Wenn sie weitergruben, bestand das Risiko, dass sie die Verbindung zur Chinesischen Europäischen Investmentbank und schließlich zu ihm aufdeckten.
Er griff zum Telefon und rief Dérúgo Feng an. Im gleichen Moment wurde in einer kleinen Wohnung in Köln ein Überwachungsprogramm aktiviert und das Gespräch aufgezeichnet.
Feng befahl ihm, unter allen Umständen sämtliche Spuren zu vernichten. Viel Zeit hatte er nicht, in spätestens achtundvierzig Stunden musste alles erledigt sein.
Er riss einen Notizzettel vom Block und schrieb auf: „Polinski – Dialyse, Bösental – Briefbombe?, Albig – Unfall, Kopie Albig-Bericht?, Schell und Schlattmann?, falsche Fährten, Daten müssen verschwinden.“
Was war mit Schells Mitarbeiter? Ob der etwas wusste? Laut Polinski war er ein etwas beschränkter Kleinkrimineller, und sein Tod würde nur unnötige Fragen aufwerfen. Er machte sich eine Notiz: „Soll Feng entscheiden.“
Ao Chen zog sich in einen eigens für Mitarbeiter der Chinesischen Europäischen Investmentbank eingerichteten Meditationsraum im untersten Geschoss des Gebäudes zurück. Mittwoch, der 6. März war gerade vier Minuten alt, als er seinen Plan fertig entwickelt hatte. Er nutzte das Telefon im Meditationsraum für eine Reihe von Telefonaten und umging damit Tobias’ Überwachung.
Vom Auto aus hatte er eine gute Sicht auf Martin Polinskis Wohnung. Er war noch nie hier gewesen, hatte jedoch Polinskis Stockwerk schnell mithilfe des Klingelschildes herausgefunden. Dass es pro Stockwerk nur eine Wohnung gab, hatte die Sache erleichtert.
Drei Fenster
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