Honecker privat
nicht anders. Mit einer Ausnahme: Das Wasser im Pool hatte gerade mal 15 Grad. Es kam aus irgendwelchen Gebirgsquellen und war unerträglich kalt. Das Essen war etwas besser und preiswerter als in Kairo, die Langeweile unvergleichlich größer: Alle Bücher und Illustrierten, die wir besaßen, waren ausgelesen. So schleppten sich sieben Tage dahin, ehe es hieß: Reise, Reise.
Und es ging noch immer nicht nach Hause. Die Delegation musste erneut nach Ägypten, wo wieder hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde. Der Inhalt der Gespräche wurde nie publik, auch Gerhard Weiß erzählte darüber nichts.
Wir stiegen im gleichen Hotel ab und gaben uns ganz dem Müßiggang hin. Nun waren wir in Afrika und sahen nichts. Das war schon ärgerlich. Doch die Mannschaft und der Steward schoben Dienst und standen auf Abruf. Wie leicht hätten wir im uns gänzlich fremden Moloch Kairo verlieren können? Nein, das Risiko war unkalkulierbar.
Am Abend nach einer Woche Aufenthalt erreichte uns schließlich der Anruf: Morgen geht’s nach Hause!
Nach dem spartanischen Frühstück brachen wir zum Flugplatz auf und bereiteten alles zum Abflug vor. Ich orderte beim Catering einige Speisen, doch die blieben beim Rückflug unberührt. Die Delegationsmitglieder hatten nur zwei Wünsche: deutsches Bier und deutsches Graubrot. Bring mal eine anständige Stulle, hieß es. Doch diese Bitte konnte ich nicht erfüllen, wohl aber die nach einem Bier.
Mir ging es wie ihnen. Das erste, was ich unmittelbar nach dem Eintreffen in der Waldsiedlung aß, und zwar mit größtem Genuss, war eine Scheibe Roggenbrot mit Leberwurst. Ich hätte nie geglaubt, wie köstlich eine einfache Stulle schmecken kann, wenn man nur lange darauf hatte verzichten müssen.
Privater Flug ins Glück
Unsere Hochzeitsreise erfolgte mit Flugzeug. Natürlich. Während meiner Nahostreise hatte Marianne ihre Lehre mit Facharbeiterbrief abgeschlossen und einen Arbeitsvertrag als Empfangssekretärin im Gästehaus Johannishof geschlossen. Am 25. August wurden wir getraut. Wir brachen sofort in die Flitterwochen auf – und flogen von Berlin nach Dresden. In den 60er Jahren gab es in der DDR mehrere Inland-Flugverbindungen, in Dresden, Leipzig, Erfurt, Barth und Heringsdorf existierten Airports, die regelmäßig von Berlin angesteuert wurden. Das war nicht dem Fehlen von Auslandsverbindungen geschuldet, sondern entsprach dem Zeitgeist. Auch in der Bundesrepublik baute jeder größere Ort einen Flugplatz.
Marianne war noch nie in ihrem kurzen Leben geflogen, ich konnte mich diesbezüglich lässig und erfahren geben. Wir verbrachten eine Woche in Dresden, die ihr Vater Hans spendiert hatte, die zweite verbrachten wir bei meinen Eltern in Chemnitz.
Marianne war mit ihrem älteren Bruder Michael und dem Nachkömmling Thomas bei ihrer geschiedenen Mutter in recht bescheidenen Verhältnissen in Berlin-Johannisthal aufgewachsen. Die Eltern hatten sich bereits 1954 getrennt. Der Vater heiratete wieder, hatte zwei Töchter mit der anderen Frau, doch er sorgte auch für seine Kinder aus erster Ehe. Auf seinem Gartengrundstück am Lehnitzsee bei Oranienburg sollten wir 1970 unseren ersten gemeinsamen Urlaub verbringen, inzwischen mit unseren zwei eigenen kleinen Kindern. Mariannes Oma, die ebenfalls in der Dreizimmer-Wohnung in Johannisthal lebte, war körperbehindert und konnte das Haus nur im Rollstuhl verlassen.
Mariannes Mutter hatte Probleme mit dem Herzen und befand sich am Tage unserer Hochzeit im Krankenhaus. Sie sagte nur: Kinder, könnt ihr euch das überhaupt leisten? Nun, ich hatte einiges gespart, auch Marianne. Vermögend waren wir beide nicht, und seit ich in Wandlitz arbeitete, gab es auch kein Trinkgeld mehr. Doch es reichte zum Leben. Mit Gehalt, Wohn-, Bekleidungs- und Verpflegungsgeld kam ich im Monat auf etwa 450 Mark netto, und da ich kaum Gelegenheit hatte, das alles auszugeben, blieb jeden Monat etwas übrig. Das Geld wurde, wie in der DDR bis Ende der 60er Jahre üblich, in bar ausgezahlt, die Lohntüte war keine Metapher, sondern existierte real. Ihr monatlicher Empfang musste mit Unterschrift quittiert werden.
Meinem Wohnungsantrag wurde stattgegeben, im Dezember 1967 bezogen wir in der Friedrichsgracht in Berlin-Mitte eine Einraumwohnung. Die dreizehn Quadratmeter mit Zentralheizung, Kochnische und Dusche waren zwar nicht das Paradies, aber eben unsere eigenen vier Wände. Es gab heißes Wasser aus der Wand, einen Balkon und im Flur einen Einbauschrank.
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