Honecker privat
großer Anspannung. Noch nie waren wir in dieser Region unterwegs, zudem gab es keinerlei DDR-Vertretungen vor Ort, auf die man sich hätte stützen können. Wir waren auf die Hilfe der sowjetischen Botschaften angewiesen. Die Piloten hatten überdies Verständigungsprobleme mit dem dortigen Bodenpersonal. Am Ende waren wir alle froh, diese anstrengende Reise ohne Schaden, wenngleich nur mit mäßigem politischen Ertrag, überstanden zu haben.
Wenig später musste ich erneut nach Khartum. Die DDR-Führung hatte den Staatschef des Sudan zu einem Besuch nach Berlin eingeladen. Dschafar Muhammad an-Numairi hatte, dem Beispiel der Bewegung der freien Offiziere in Ägypten folgend, mit Gesinnungsgenossen das reaktionäre Regime hinweggefegt und Kurs auf eine progressive Entwicklung des Landes genommen. Da der Sudan über keine eigenen Flugzeuge verfügte, holten wir Numairi mit einer Maschine der INTERFLUG ab und brachten ihn auch wieder nach Karthum zurück. Ich bekam den Auftrag, den farbigen Politiker beim Flug zu begleiten und zu betreuen.
Unsere Gastfreundschaft beeindruckte ihn offenkundig derart, dass wir noch drei Tage im Lande bleiben mussten. Er revanchierte sich, indem er die Besatzung und den Steward wie Staatsgäste behandelte. Es gab beispielsweise einen Ausflug mit einem köstlichen Picknick auf einer Insel, die im Zusammenfluss von Weißem und Blauem Nil lag.
Berlin war sichtlich verärgert über diese ungeplante Verlängerung des Karthum-Aufenthaltes, unterließ es aber klugerweise, nicht zu intervenieren, um den offensichtlichen Erfolg der politischen Gespräche nicht zu gefährden. Das taten andere. Zwei Tage nach unserer Rückkehr nach Berlin wurde in Karthum geputscht. Numairi kehrte zwar wieder an die Macht zurück, aber das Land wurde immer unberechenbarer und wandte sich politisch mal in die eine, mal in die andere Richtung. In den 80er Jahren wechselte es zum Islam, Numairi führte per Gesetz die Scharia ein, wurde 1985 außer Landes getrieben und lebte bis 1999 im Exil in Ägypten, 2009 verstarb er in Karthum. Seit 2011 ist das Land nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg auch politisch gespalten, es gibt seither den islamischen Sudan und die (christliche) Republik Südsudan, welche zu 98 Prozent vom Ölexport lebt.
Das alles war bei der ersten Visite des DDRAußenministers Ende der 60er Jahre nicht absehbar und lag wie so vieles andere in weiter, weiter Ferne.
Doch dass es die Staaten Afrikas, welche sich vom Jahrhunderte währenden Kolonialjoch befreit hatten, nicht leicht haben würden, war schon damals erkennbar.
Illegale Bananeneinfuhr
Ende der 60er Jahre flogen wir erstmals auch nach Conakry. In Guinea herrschte seit 1958, seit der Erlangung der Unabhängigkeit von Frankreich, Ahmed Sékou Touré, der die Nähe zur Sowjetunion und ihren Verbündeten suchte. »Syli«, der »große Elefant«, wie er von seinen Landsleuten genannt wurde, sollte bis 1984, bis zu seinem Tod bei einer Herzoperation in den USA, an der Spitze seines Landes stehen.
Guinea wird immer wieder durch Militärputsche erschüttert, die Nachrichten berichten regelmäßig über blutige Zusammenstößen von Kräften der aktuellen Militärregierung und der Bevölkerung dieses westafrikanischen Landes. Auch 2012 warnte das Auswärtige Amt der Bundesrepublik: »Bei Reisen nach Guinea ist erhöhte Wachsamkeit geboten, insbesondere sollten größere Menschenansammlungen gemieden werden.«
Als ich nach der Landung in Conakry die Tür der IL 18 öffnete, traf mich feuchtheiße Tropenglut, und ich begriff sofort, warum man uns mit dem Satz gewarnt hatte, das Klima dort sei das Grab des weißen Mannes. Aus allen Poren floss unablässig der Schweiß, und besonders kurz vorm Abflug, wo ich mich der insbesondere bei Aufenthalten in afrikanischen Staaten notwendigen Übung hingab, gemeinsam mit den anderen das Flugzeuginnere nach blinden Passagieren abzusuchen, also Schlangen, Spinnen und andere Insekten.
Es war nicht nur der Mangel an Devisen, der uns davon abhielt, Lebensmittel und Obst auf einheimischen Märkten zu kaufen, sondern auch die obwaltenden hygienischen Verhältnisse sowie die Gefahr, gefährliches Ungeziefer nach Europa einzuschleppen. In Conakry setzten wir uns jedoch über diese Regel hinweg und deckten uns auf dem Basar mit Bananenstauden ein. Diese waren in festes schwarzes Packpapier geschlagen und schienen von giftigem Beipack frei zu sein. Das Problem war der Preis. Die Händler verkauften in der Regel ein, zwei
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