Honecker privat
sonstwo war nicht möglich.
In der in den Fahrgastraum integrierten »Küche« gab es weder einen Kühlschrank noch eine Kaffeemaschine, Speisen konnten nicht gekocht oder irgendwie warm gemacht werden. Es war alles recht simpel, um nicht zu sagen primitiv. Und das sollte eine Lizenz der amerikanischen DC-3 sein? Wenn die dort auch so flogen, na gute Nacht, dachte ich. Kaffee und Tee in den Thermoskannen waren bald lau, dafür die Getränke ziemlich warm. Im Sommer heizte sich die Maschine am Boden auf, in der Luft froren die Getränke manchmal ein. Trotzdem machten mir solche Dienstreisen erheblichen Spaß, insbesondere wenn wir vor Ort ein, zwei Tage oder noch länger blieben. Die Besatzung und das Bordpersonal wurde in guten Hotels oder in Gästehäusern untergebracht, und da wir irgendwie zur Delegation dazugehörten, gab es mitunter ein Besichtigungsprogramm mit Ausflügen und Theaterbesuchen.
In Wandlitz und anderswo wurde unterdessen getüftelt und gewerkelt, wie sich das Bordbuffet verbessern ließe. Das war später, in den 70er Jahren, nicht mehr erforderlich, weil Kühlmöglichkeiten, Heißwasserbereiter, Aufwärmgeräte für Speisen etc. bereits in den neuen Maschinen bereits eingebaut waren. Überhaupt endete mit den 60er Jahren die Phase des Improvisierens. So lieferten wir aus der Waldsiedlung Wandlitz Geschirr, Besteck, Gläser und Speisen selbst für Staatsempfänge in Berlin. Nun waren die in jenem Jahrzehnt nicht so gewaltig wegen der eingangs geschilderten Gründe, doch es bedurfte dennoch eines beachtlichen logistischen Aufwandes. Später erübrigte sich das, es wurden nur noch wir Kellner zur Betreuung abgestellt.
Bei einem dieser Empfänge lernte ich Marianne kennen, sie war Lehrling im Gästehaus des Ministerrates Johannishof; das Gebäude steht noch immer, und zwar gegenüber dem neuen Friedrichstadtpalast. Marianne arbeitete als Zigarettenmädchen, eine Tätigkeit, die es schon lange nicht mehr gibt: Sie ging von Tisch zu Tisch und bot den Gästen Tabakwaren von einem Tablett an. Danach verloren wir uns aus den Augen. Einmal begegneten wir uns zufällig auf dem Alexanderplatz, doch keiner traute den anderen anzusprechen, und so liefen wir grußlos aneinander vorbei und taten so, als hätten wir uns nicht erkannt.
Es gingen Jahre ins Land. Im Dezember 1966 schickte man mich nach Oberhof, um den üblichen Urlaub zum Jahreswechsel von Ulbricht zu begleiten. Inzwischen war das neue Heim fertiggestellt, weshalb ich vor der Zeit abkommandiert wurde, damit ich mich mit der neuen Umgebung vertraut machen konnte. Und dort traf ich erneut Marianne, wir konnten uns nicht aus dem Weg gehen wie weiland auf dem Berliner Alexanderplatz. Sie war als Zimmermädchen eingesetzt und noch immer Lehrling, ich noch nicht 24 und knapp vier Jahre älter als sie. Es musste kommen, was geschehen sollte.
Dieser Arbeitseinsatz blieb uns beiden auch noch aus einem anderen Grunde in lebhafter Erinnerung. In diesem Gästehaus gab es auch einen kleinen Raum für Filmvorführungen. Die Genossen des Politbüros suchten dort Zerstreuung, wobei sie sich nicht nur Produktionen aus den Mosfilm-Studios oder DEFALustspiele anschauten. Sie ließen sich auch andere Streifen vorführen, etwa »Goldfinger«, den dritten James-Bond-Film, der im Vorjahr weltweit in die Kinos gekommen war – die sozialistische Kinowelt natürlich ausgenommen. Ich weiß nicht, ob es Bond alias Sean Connery war, der sie reizte, oder Gerd Fröbe als herrlich schräger Schurke, immerhin ein gebürtiger Sachse wie Ulbricht, was unschwer selbst im Bond-Film zu vernehmen war. Der Vorführer wollte der Entourage eine Freude machen und zeigte uns eben jenen Film, dessen Titelmelodie, gesungen von Shirley Bassey, uns allen seit Monaten als Ohrwurm in den Gehörgängen steckte.
So kann man sagen, dass am Beginn unserer Ehe James Bond stand. Er rettete nicht nur die Welt, sondern auch unsere Beziehung. Schon bald stellte ich Marianne meinen Eltern vor, wir meldeten uns im Juni 1967 im Standesamt Berlin-Johannisthal zur Trauung an und bekamen den ersten freien Termin genannt: den 25. August. Den buchten wir.
Das war keine so gute Idee.
Am gleichen Tag hatte Erich Honecker Geburtstag. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.
1965 wurde Walter Ulbricht zu einem Staatsbesuch nach Ägypten eingeladen. Die Vereinigte Arabische Republik (VAR) und deren Staatschef Gamal Abd el-Nasser setzte sich selbstbewusst über Bonns Hallstein-Doktrin hinweg. Bonn
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