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Honecker privat

Honecker privat

Titel: Honecker privat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Herzog
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Wenn wir abends die Couch zum Schlafen aufklappten, mussten wir zuvor den Tisch und die beiden Stühle in den Flur oder auf den Balkon stellen. Geschenkt.
    Alles roch nach Aufbruch. Die Berliner Innenstadt wurde umgekrempelt, der Alex entstand völlig neu, und aus dem Boden wuchs der Stumpf eines Fernsehturms.
    Ich hatte mein Auskommen und ein abwechslungsreiches, erfülltes Berufsleben, Marianne auch. Es ging, wenngleich in kleinen Schritten, dennoch merklich voran. Seit Sommer 1968 gab es auch in der DDR die Fünf-Tage-Woche. Bis dahin hatten wir am Samstag noch einen halben Tag arbeiten müssen, das war nun Geschichte. Am 12. Juni jenes Jahres kam Peter zur Welt, am 4. September 1969 sollte Beate folgen. Für vier Personen war in der Friedrichsgracht kein ausreichender Platz, wir zogen noch im Spätsommer nach Weißensee in eine Dreiraum-Wohnung. Diese erschien uns riesig.
    Wir hatten jedoch Probleme, zwei Plätze in einer Krippe zu finden, weshalb Marianne genötigt war, ihre Arbeit im Johannishof aufzugeben und später einige Zeit als pflegerische Hilfskraft in einer Kinderkombi zu arbeiten, wodurch wir unsere beiden Sprößlinge dort unterbringen konnten. In jenen Jahren war Marianne oft auf sich allein gestellt, da ich viel unterwegs war und als Vater ausfiel. Inzwischen musste ich nicht mehr mit dem Zubringerbus nach Wandlitz fahren, sondern wurde mit dem Auto von zu Hause abgeholt. Da wir im Erdgeschoss wohnten, hörte Marianne alles. Sie habe damals, sagte sie mir später einmal, das Klappen von Autotüren zu hassen begonnen.
    Familienleben konzentrierte sich in jener Zeit auf die Urlaubswochen. Wir hatten Glück und bekamen in jedem Jahr einen Ferienplatz. 1971 erholten wir uns in einem Bungalowdorf in Lanke bei Berlin, im Frühjahr 1972 waren wir zwei Wochen in einem FDGB-Heim im Osterzgebirge: 65 Mark pro Erwachsener, Kinder zahlten die Hälfte. Wir waren so privilegiert wie die meisten anderen Bürger unseres Landes.

Wir entdecken die Welt. Und die Welt entdeckt uns
    In den 60er Jahren tobte der Kalte Krieg unvermindert, doch es begann sich auf der Weltbühne einiges zu verschieben. Das hing nicht zuletzt damit zusammen, dass die Sowjetunion zumindest in militärstrategischer Hinsicht mit der anderen Supermacht gleichzog. Ein Rollback, von dem der Westen in den 50er Jahren noch geträumt hatte, schien unmöglich. Der Preis wäre die eigene Selbstvernichtung gewesen. Und den wollten selbst die Falken im Weißen Haus und sonst wo nicht bezahlen.
    Die sichtbare Zäsur war 1961 mit dem sogenannten Mauerbau gesetzt worden. Die beiden Großmächte und ihre Führer, John F. Kennedy und Nikita S. Chruschtschow, hatten sich darauf geeinigt, dass man sich nicht mehr ins Gehege kommen wollte. Jeder könne in seiner Hemisphäre machen, was er mochte – sofern die Interessen des jeweils anderen davon nicht betroffen würden.
    In der Konsequenz führte das dazu, dass alle anderen Staaten zu einem Prinzip der Politik zurückkehrten, welches bereits Bismarck begründete. Und das hieß: Man muss mit Realitäten wirtschaften, nicht mit Fiktionen. Wir beriefen uns auf Lenin und nannten das friedliche Koexistenz der unterschiedlichen politischen Systeme – auch wenn der Klassenkampf weiterging.
    Die Realität beispielsweise war die Existenz von zwei Deutschlands. Die Anmaßung des einen Staates, für alle Deutschen zu sprechen und in deren Namen zu handeln, stieß in der Welt immer mehr auf Unverständnis. Dem Bonner Alleinvertretungsanspruch unterwarfen sich zunehmend weniger Staaten, Adenauers Ausgrenzungspolitik gegenüber der DDR erlitt Schiffbruch. Mitte der 60er Jahre musste der Bundeskanzler gehen, Ludwig Erhard, sein Nachfolger, hielt keine zwei Jahre durch, 1966 gab es in Bonn erstmals eine Große Koalition mit einem SPD-Vizekanzler. Nach drei Jahren warf Kurt-Georg Kiesinger das Handtuch und überließ dem Sozialdemokraten Willy Brandt das Amt.
    In jenen Jahren geriet vieles in Bewegung. Und ich war es auch.
    Die Zahl der auswärtigen Delegationen, die zu politischen Gesprächen oder zu Studienzwecken in die DDR kamen, nahm zu. Damit auch meine Einsätze zu ihrer Betreuung. Und auch die DDRSpitzen reisten viel in diplomatischer Mission umher, um aus der unverschuldeten Isolation herauszukommen. Ich durfte etliche Politiker dabei begleiten. Der Schwerpunkt lag auf Afrika und dem Nahen Osten. In den 60er Jahren war ich zum Beispiel in Ägypten häufiger als in der Sowjetunion.
    Die Regierungsflieger der DDR

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