Honeymoon
hatte dafür vor der Grand Central Station sein Leben lassen müssen. War es das wert?
Offensichtlich war es das.
War es wert, dass noch jemand dafür draufging?
Er selbst zum Beispiel?
Ganz sicher nicht.
War es ein Teil eines größeren Ganzen, das irgendwann einmal einen Sinn ergeben würde?
Unmöglich zu sagen – aber er hoffte es sehr.
45
Jeffrey musterte sie im Schein der Kerze, die zwischen ihnen auf dem Tisch stand. »Ist es dir auch ganz bestimmt recht?«
»Aber natürlich«, antwortete sie.
»Ich weiß nicht, ich hatte den Eindruck, dass du ein bisschen enttäuscht warst, als ich vorgeschlagen habe, dass wir essen gehen, anstatt zu kochen.«
»Ach, was redest du denn da? Das ist doch wunderbar.« Nora bemühte sich, ihre Körpersprache ihren Worten anzupassen – was den vollen Einsatz ihrer Schauspielkunst erforderte. Sie hätte in diesem Moment in Jeffreys Sandsteinvilla am Herd stehen und ihm seine letzte Mahlzeit kochen sollen. Ihr Entschluss stand fest.
Nun saßen sie stattdessen hier in Jeffreys Lieblingsrestaurant. Nie war Nora so nervös gewesen. Sie kam sich vor wie ein Rennpferd in einer Startbox, die sich einfach nicht öffnen wollte.
»Ich liebe dieses Lokal«, sagte Jeffrey und blickte sich um. Sie waren im Primavera im Bostoner North End. Schlichtes, aber elegantes Dekor mit weißen Stofftischdecken, funkelndem Tafelsilber und schummriger Beleuchtung. Wenn man sich zum Essen hinsetzte, wurde es als selbstverständlich vorausgesetzt, dass man stilles Wasser aus der Karaffe wollte und nicht Mineralwasser aus der Flasche. Das war Nora, offen gestanden, alles andere als gleichgültig.
Jeffrey bestellte Ossobuco, Nora das Risotto mit Steinpilzen. Doch sie hatte null Appetit. Der Wein war ein 1994er Chianti Classico Riserva aus Poggiarello. Den brauchte sie jetzt. Nachdem die Teller abgetragen waren, lenkte Nora das Gespräch auf die Pläne fürs kommende Wochenende. Der unerledigte Job lag ihr bleischwer im Magen.
»Da bin ich doch gar nicht hier, hast du das schon vergessen, Schatz?«, sagte Jeffrey. »Das Buchfestival in Virginia.«
»Du hast Recht, das hatte ich glatt vergessen.« Nora hätte am liebsten laut geschrien. »Ich kann's gar nicht glauben, dass ich dich da hinfahren lasse, wo du Hunderten deiner weiblichen Fans schutzlos ausgeliefert bist.«
Jeffrey verschränkte die Hände auf dem Tisch und beugte sich vor. »Hör mal, ich habe nachgedacht«, sagte er. »Über die Art und Weise, wie wir bis jetzt mit unserer Ehe umgegangen sind. Oder vielmehr, wie ich damit umgegangen bin – diese Geheimniskrämerei. Ich glaube, das war unfair dir gegenüber.«
»Hattest du denn das Gefühl, dass es mich stört? Weil ...«
»Nein, du warst ja immer verständnisvoll. Deswegen hatte ich so ein schlechtes Gewissen. Ich habe die wunderbarste Frau der Welt – und es wird allmählich Zeit, dass alle Welt es erfährt.«
Nora lächelte pflichtschuldig, doch in ihrem Kopf läuteten die Alarmglocken. »Aber was ist denn mit deinen Verehrerinnen?«, fragte sie. »Mit all den Frauen, die nächste Woche in Virginia einen der attraktivsten und begehrtesten Junggesellen sehen wollen, der je die Titelseite von
People
geziert hat?«
»Ach, die können mich mal.«
»Ich fürchte, darauf sind sie gerade aus, Schatz«, sagte Nora.
Jeffrey ergriff zärtlich ihre Hände. »Du warst immer so verständnisvoll, und ich war ein unglaublicher Egoist. Aber damit ist jetzt Schluss.«
Nora spürte, dass jeder Versuch, ihm seinen Plan auszureden, zum Scheitern verurteilt war. Vorläufig jedenfalls. Er war nun mal ein typischer Mann. Er glaubte ganz genau zu wissen, was das Beste für sie war, und würde sich durch nichts davon abbringen lassen. »Weißt du was«, sagte sie. »Fahr ruhig zu deinem Buchfestival, imponiere den Damen mit deinem Aussehen, deinem Charme und deiner Belesenheit, und wir reden noch einmal darüber, wenn du zurück bist.«
»Klar, gerne«, erwiderte er in einem Ton, der eher das Gegenteil vermuten ließ. »Es gibt da nur ein Problem.«
»Was für ein Problem denn?«, fragte Nora. Willst du mir vielleicht noch mal einen Heiratsantrag machen, hier in diesem voll besetzten Restaurant?
»Ich habe gestern dem
New York Magazine
ein Interview gegeben. Dabei habe ich die Katze aus dem Sack gelassen und von dir erzählt. Von unserer Hochzeit in Cuernavaca. Du hättest die Reporterin sehen sollen – sie konnte es kaum erwarten, diesen Knüller in ihren Artikel zu packen. Sie hat mich
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