Honeymoon
ab.
»Ich bin's, Schatz«, sagte sie.
»O nein, sag jetzt nicht, dass du nicht kommst.«
Sie lachte. »Nein,
noch
nicht.«
»Moment mal, wo bist du denn?«
»Schau mal aus dem Fenster.«
Sie hob den Kopf, als Jeffrey am Fenster seiner Bibliothek erschien. Sein markanter Unterkiefer klappte herunter, dann fing er an zu lachen. Sie konnte es über das Telefon deutlich hören.
»Oh ... wow ...«, sagte er.
Nora lag auf dem Liegestuhl, nackt bis auf die Sandaletten. »Na, siehst du da draußen irgendwas, was dir gefällt?«, säuselte sie in den Hörer.
»Ich sehe sogar einiges, was mir gefällt. Ich sehe absolut nichts, was mir
nicht
gefällt.«
»Gut. Pass auf, dass du auf der Treppe nicht stolperst.«
»Wer sagt denn, dass ich die Treppe benutze?«
Jeffrey öffnete das Fenster, kletterte hinaus und stieg behände an der verkupferten Regenrinne hinunter. Ganz schön sportlich. Nora sah es mit Freuden.
Was immer der Weltrekord im Ausziehen sein mochte, Jeffrey brach ihn mühelos. Dann kam er langsam zu ihr auf den Liegestuhl gekrochen. Er grub die Finger tief in das Polster und schlang seine muskulösen Arme um ihre Taille. Er konnte ganz schön sexy sein, wenn man ihn einmal von seinem Computer weggezerrt hatte.
Nora schloss die Augen. Und sie ließ sie geschlossen, während sie sich liebten. Sie wollte so gerne etwas für Jeffrey empfinden. Irgendetwas. Aber da war nichts.
Komm schon, Nora. Du weißt, was du zu tun hast. Das ist doch nicht das erste Mal.
Die Stimme in ihrem Kopf hörte sich jetzt nicht mehr wie eine alte Freundin an. Eher wie eine ungebetene Besucherin, fast eine Fremde. Sie versuchte sie zu ignorieren, doch es war zwecklos. So wurde sie nur noch lauter. Noch eindringlicher. Noch beherrschender.
Jeffrey kam und wälzte sich von ihr herunter. Er war außer Atem. »Was für eine fantastische Überraschung. Du bist wirklich Spitze.«
Frag ihn, ob er Hunger hat, Nora.
Sie wollte gegen die kleine Stimme in ihrem Kopf protestieren. Doch das wäre reine Zeitverschwendung gewesen. Es gab nur eine Möglichkeit, sie zum Schweigen zu bringen. Und sie wusste, welche.
»Wo willst du hin?«, fragte Jeffrey.
Nora war wortlos aufgestanden. Sie war schon auf dem Weg ins Haus. »In die Küche«, rief sie ihm über die Schulter zu. »Ich will mal sehen, was ich dir zum Abendessen machen kann. Ich habe Lust, für dich zu kochen.«
44
O Mann, o Mann – was tun?, sprach Zeus. Das Ganze war bislang eine einzige Katastrophe.
Der Tourist saß allein in dem kleinen, schmuddeligen Zimmer. Gerade hatte er sich noch ein Heineken aufgemacht. Er hatte schon vier intus – oder waren es fünf? Im Moment schien es ihm nicht wichtig, den Überblick zu behalten. Auch das Yankee-Spiel, das in seinem Fernseher lief, interessierte ihn nicht sonderlich, und der Appetit auf die Pizza mit Salami und Zwiebeln, die vor ihm auf dem Tisch langsam kalt wurde, war ihm ebenso vergangen.
Auf seinem Mac waren Zeitungsausschnitte über die Schießerei in New York. Gut ein Dutzend Artikel, die sich mit dem »Showdown auf dem Bürgersteig« befassten.
Die Story war der Renner, was den Touristen nicht gerade überraschte. Er hatte einen Haufen ungelöster Fragen zurückgelassen. Eimerweise Druckerschwärze war für Vermutungen und Spekulationen draufgegangen, manche glaubwürdig, die meisten vollkommen absurd. Die kurze E-Mail, die er zusammen mit den Zeitungsausschnitten bekommen hatte, fasste es zusammen: Der Zirkus ist in der Stadt. Du gehst besser auf Tauchstation, Tourist. Demnächst mehr.
Er lächelte und las noch einmal die einander widersprechenden Augenzeugenberichte. »Wie kann es sein«, schrieb ein Kolumnist in der
News
, »dass ein und dasselbe Geschehen von verschiedenen Personen, die nicht weiter als sechs oder sieben Meter entfernt waren, so unterschiedlich gesehen wurde?«
»Ja, wie wohl?«, sagte der Tourist laut. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und legte die Füße auf den Tisch. Er war zuversichtlich, dass das Geheimnis seiner Identität nicht gelüftet werden würde. Schließlich hatte er die nötigen Vorkehrungen getroffen und seine Spuren sorgfältig verwischt. Er könnte ebenso gut ein Geist sein.
Es gab nur eine Sache, die ihm jetzt noch Kopfzerbrechen bereitete, und zwar gewaltiges Kopfzerbrechen.
Was hatte es mit dieser Liste auf sich, die er sich von dem Flash Drive kopiert hatte? Mit diesen ganzen Offshore-Konten?
Eins Komma vier.
Milliarden.
Was war mit dem Geld?
Ein armer Trottel
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