Honeymoon
Nummer.
Hm.
Ich saß eine Weile einfach nur da und starrte das Lenkrad an, ehe ich mir noch einmal das Handy schnappte und eine Nummer wählte. Diesmal meldete sich eine junge, angenehme weibliche Stimme.
»Centennial-One-Lebensversicherung, guten Morgen!«
»Sehr überzeugend, Molly«, sagte ich.
»Wirklich?«
»Hundertprozentig. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass du eine Nagelfeile in der Hand hast.«
Molly war meine neue Sekretärin. Nachdem Nora mir zu meinem Arbeitsplatz gefolgt war, hatte man entschieden, dass die »Filiale« nicht länger als Ein-Mann-Unternehmen geführt werden konnte.
»Tust du mir einen Gefallen?«, fragte ich. »Check doch bitte mal Noras Handynummer für mich.«
»Ist die Nummer denn noch nicht in ihrer Akte?«
»Mag sein, aber ich will sichergehen, dass sie sich nicht inzwischen geändert hat.«
»Okay. Gib mir zehn Minuten.«
»Ich gebe dir fünf.«
»Springt man so mit seiner neuen Sekretärin um?«
»Du hast Recht«, sagte ich. »Sagen wir lieber vier Minuten«
»Das ist unfair.«
»Tick, tick, tick ...«
Molly war erst seit zwei Jahren mit der Schule fertig. Obwohl sie noch ein wenig unerfahren war und laut Susan gelegentlich zu Fehleinschätzungen neigte, hatte sie bewiesen, dass sie sehr schnell lernte. Ich war daher kaum überrascht, als sie schon nach drei Minuten zurückrief.
»Es ist noch dieselbe Nummer, die wir von ihr in den Akten haben«, sagte Molly. Sie las sie mir vor, und ich verglich sie mit der Nummer, die Nora mir gegeben hatte.
Ich musste schmunzeln. Der einzige Unterschied waren die beiden letzten Ziffern. Sie waren vertauscht.
Interessant.
Vielleicht war ich es ja, der sie verdreht hatte. Oder vielleicht wollte Nora, dass ich das glaubte. Oder dass ich zumindest die Möglichkeit einkalkulierte.
»Brauchst du sonst noch irgendwas?«, fragte Molly.
»Nein, alles klar. Danke.«
Ich verabschiedete mich, legte das Handy weg und nahm mir stattdessen den Notizblock vor. Ob mit Absicht oder nicht, es war Nora wieder einmal gelungen, mir zu entwischen. Und was nun?
Ich hatte schon früh in meiner Laufbahn gelernt, dass es manchmal einen Unterschied gab zwischen Informationen, die man besaß, und Informationen, die man verwenden konnte. Das hier war so ein Fall. Ich hatte Noras richtige Handynummer, musste aber so tun, als hätte ich sie nicht.
Mit meiner lädierten Hand kritzelte ich ihr ein paar Worte auf einen Zettel und steckte ihn an die Haustür von Connor Browns Villa. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie die Nachricht bekommen würde. Die Frage war nur, wann.
49
Es war das Bedürfnis, einen sauberen Schnitt zu machen, das Nora am Ende der Woche wieder nach Briarcliff Manor führte. Obwohl Connors Schwester ihr angeboten hatte, das Haus weiter zu nutzen, so lange sie wollte, drängte es Nora, dieses Kapitel abzuschließen. Offen gestanden hoffte sie, der blonden Zicke nie wieder über den Weg zu laufen.
Von Elizabeth Browns anderem Angebot aber gedachte sie sehr wohl Gebrauch zu machen – nämlich, die Möbel zu behalten. Die kompletten tausend Quadratmeter. Da sie selbst das Haus eingerichtet hatte, wusste sie, was alles gekostet hatte – und das war ein hübsches Sümmchen. Genauer gesagt, ein kleines Vermögen. Eine Summe, die sie nur zu gerne einstreichen wollte, wenn sie damit Lizzies Gewissen – oder was auch immer – beruhigen konnte.
Alles, was sie brauchte, war ein wenig Hilfe.
»Estate Treasures, was kann ich für Sie tun?«
»Hallo, hier Nora Sinclair. Ist Harriet zu sprechen?«
»Aber sicher, Nora, einen Moment bitte.«
Nora hielt sich das Handy an das andere Ohr. Sie saß im Fond der Lincolnlimousine, mit der sie sich zu Connors Haus chauffieren ließ.
Harriet meldete sich. »Wen haben wir denn da? Meine Lieblingsinnenarchitektin!«
»Ich wette, das sagst du zu allen Innenarchitekten.«
»Da hast du sogar Recht – und weißt du was? Sie glauben es alle. Wie läuft das Geschäft, Nora?«
»Ziemlich gut. Deshalb rufe ich auch an.«
»Wann darf ich dich hier bei uns erwarten?«
»Die Frage wollte ich eigentlich dir stellen. Ich möchte dich nämlich bitten, einen Hausbesuch zu machen.«
»Oho. Wo soll's denn hingehen? New York City, will ich hoffen. Nora? Ich höre.«
»Briarcliff Manor. Einer meiner Kunden ist kürzlich verstorben«
»Das tut mir Leid.«
»Mir hat's auch Leid getan«, sagte Nora gelassen. »Wie dem auch sei, ich wurde gebeten, mich im Auftrag der Erben um die
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