Honeymoon
Wegbeschreibung brauchst du wohl nicht, Nora; schließlich hast du ja schon hier rumgeschnüffelt.
»Vier Uhr ist okay, sogar optimal. Nur sollten wir uns vielleicht lieber woanders treffen. Wir haben gerade die Maler hier im Büro. Die Gerüche sind ziemlich übel«, log ich.
»Wissen Sie was, kennen Sie zufällig das Blue Ribbon Diner?«
»Sicher, das ist doch gleich am Stadtrand. Da war ich schon mal.«
Ich weiß.
»Gut«, sagte ich. »Dann könnten wir uns dort um vier auf einen Kaffee treffen. Oder vielleicht angesichts der Uhrzeit eher zu einem frühen Abendessen?«
»Nicht, wenn wir von ein und demselben Lokal reden.«
Ich lachte und stimmte ihr zu, dass wir doch lieber bei Kaffee bleiben sollten.
»Also, wir sehen uns um vier«, sagte sie.
Worauf du dich verlassen kannst, Nora.
51
Das Blue Ribbon würde nie einen Preis in den Kategorien Küche, Einrichtung oder Service gewinnen, aber für ein einfaches Esslokal in der Vorstadt war es ganz in Ordnung. Die Eier waren nie zu flüssig, die Ketchupflaschen waren fast immer gefüllt, und die Bedienungen – wenn auch weit davon entfernt, irgendwelche Freundlichkeitswettbewerbe zu gewinnen – waren immerhin fit und kompetent. Sie brachten einem meistens das, was man bestellt hatte, und waren fix, wenn es ums Kaffeenachschenken ging.
Als ich ein paar Minuten vor vier das Lokal betrat, nickte der Wirt mir zur Begrüßung zu. In der kurzen Zeit, die ich in der Gegend wohnte, war das Blue Ribbon schon zu meinem Stammlokal geworden. Ich hätte zwar mit Sicherheit etwas Besseres finden können, aber es war mir nicht wichtig genug, als dass ich mich auf die Suche danach gemacht hätte.
»Heute sind wir ausnahmsweise zu zweit«, erklärte ich dem Wirt, der schon automatisch nach einer einzelnen Speisekarte gegriffen hatte, als er mich erblickt hatte. Er war Grieche und trug eine fleckige schwarze Weste über einem zerknitterten weißen Hemd. Ein wandelndes Klischee, aber in meinen Augen eins von der positiven Sorte.
Nora traf wenige Minuten später ein. Ich winkte ihr von meinem Platz aus zu, einer Nische mit roten Kunstlederbänken im hinteren Teil des Lokals. Sie trug einen dunklen Rock, eine cremefarbene Bluse, dem Aussehen nach Seide, und hochhackige Schuhe. Extra wegen mir, Nora? Das wäre doch nicht nötig gewesen. Da es nach der Mittagessens-, aber vor der Abendessenszeit war, war das Restaurant nur zur Hälfte gefüllt. Sie hatte keine Mühe, mich zu entdecken.
Nora kam auf mich zu, wir begrüßten uns per Handschlag, und ich dankte ihr für ihr Kommen. Dabei fiel mir auf, dass sie zu allem Überfluss auch noch sehr angenehm duftete. Pass bloß auf, Craig.
Kaum hatte sie sich gesetzt, da stand auch schon die Bedienung an unserem Tisch. Als kleinen humorvollen Akzent, der ihr ansonsten streng geschäftsmäßiges Auftreten etwas auflockerte, trug sie ein Namensschild mit der Aufschrift »Hey, Miss«.
Wir bestellten beide Kaffee, und ich genehmigte mir dazu noch ein Stück Apfelkuchen. Meine Taille würde es mir nicht danken, aber ich dachte mir, dass es ein guter Schachzug wäre. Ich meine, wie kann man einem Typen misstrauen, der etwas so Bodenständiges wie Apfelkuchen bestellt?
Die Bedienung machte sich auf den Weg. Ich musste Nora nur anschauen, um zu wissen, dass ich den Smalltalk auf ein absolutes Minimum reduzieren sollte. Ihre Körpersprache war unmissverständlich. Angespannt, mühsam beherrscht, sichtlich nervös. Sie war gekommen, um eine schlechte Nachricht zu hören, und hatte kein Interesse daran, die Spannung noch länger aufrechtzuerhalten.
Also kam ich gleich auf den Punkt.
»Ich komme mir wirklich unmöglich vor«, sagte ich. »Da erzähle ich Ihnen die ganze Zeit, diese Ermittlung sei reine Routine und Sie müssten sich keine Gedanken machen. Und dann, vor ein paar Tagen ...« Ich brach ab und schüttelte hilflos den Kopf.
»Was? Was war vor ein paar Tagen?«
»Es ist dieser verfluchte O'Hara!«, sagte ich. Ich schrie nicht gerade, aber meine Lautstärke reichte aus, um die Blicke einiger Gäste an den umliegenden Tischen auf uns zu ziehen. Ich dämpfte meine Stimme ein wenig. »Ich begreife nicht, wie sie einen wie den mit einer solchen Ermittlung betrauen können. Das muss doch wirklich nicht sein.«
Nora sah mich an und wartete. Ich sah ihr an, was für eine ungewohnte Übung das für sie war.
»Offenbar hat er Verbindung mit dem FBI aufgenommen«, sagte ich.
Sie blinzelte nervös. »Ich verstehe nicht.«
»Ich auch
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