Hongkong 02 - Noble House Hongkong
achtunddreißig, attraktiv, ihr geblümtes Seidenkleid lang und kühl, und der schottische Akzent klang angenehm.
»Die Wasserknappheit ist eine lästige Sache, nicht wahr?«
»Ja. Mit Kindern ist es wohl besonders schwierig.«
»Aber nein, chérie, die Kinder sind überglücklich darüber«, meldete sich Susanne deVille zu Wort. Sie war Ende Vierzig, schick gekleidet und sprach mit einem leichten französischen Akzent. »Wie kannst du ihnen das nur antun, daß sie sich jeden Abend waschen müssen?«
»So geht es mir auch mit meinen beiden.« Kathren lächelte. »Es stört uns Eltern, aber die Kinder nicht. Es ist nur sehr schwer, dabei einen Haushalt zu führen.«
»Es ist scheußlich!« rief Penelope. »Dieser Sommer war entsetzlich. Heute haben wir Glück. Für gewöhnlich schwitzen wir uns zu Tode.« Sie stand vor einem Spiegel und trug frisches Make-up auf. »Ich kann den nächsten Monat kaum noch erwarten. Habe ich dir eigentlich schon gesagt, Kathren, daß wir für ein paar Wochen nach Hause fahren, um Ferien zu machen? – zumindest ich fahre. Ian hat mir versprochen nachzukommen, aber bei ihm weiß man ja nie.«
»Er braucht wirklich einen Urlaub«, sagte Kathren. Casey bemerkte dunkle Schatten unter ihren Augen und Sorgenfalten unter ihrem Make-up. »Fahrt ihr nach Ayr?«
»Ja, und nachher für eine Woche nach London.«
»Ihr Glücklichen! Wie lange bleiben Sie in Hongkong, Miss Tcholok?«
»Ich weiß es nicht. Es hängt alles von Par-Con ab.«
»Ach ja. Andrew erzählte mir, Sie hätten den ganzen Tag heute konferiert.«
»Ich glaube, es macht den Herren nicht viel Spaß, mit einer Frau verhandeln zu müssen.«
»Das ist aber sehr zurückhaltend ausgedrückt«, lachte Susanne deVille und hob ihre Röcke, um die Bluse herunterzuziehen. »Allerdings … mein Jacques ist Halbfranzose, und darum hat er Verständnis dafür, daß auch Frauen im Geschäftsleben ihren Mann stehen. Aber die Engländer …« Ihre Augenbrauen hoben sich.
»Dem Tai-Pan schien es nichts auszumachen«, bemerkte Casey, »aber ich habe noch nicht definitiv mit ihm verhandelt.«
»Wohl aber mit Quillan Gornt«, konterte Kathren, und Casey, die auch in der Zurückgezogenheit eines Waschraumes auf der Hut war, hörte den Unterton heraus.
»Nein«, gab sie zurück, »das war mein Boss. Ich habe ihn erst heute kennengelernt.«
Erst knapp vor dem Dinner hatte sie Gelegenheit gehabt, Bartlett die Geschichte von Gornts Vater und Colin Dunross zu erzählen.
»Ach du Heiliger! Kein Wunder, daß Adryon aus der Tüte geriet. Noch dazu im Billardzimmer.« Er hatte einen Augenblick nachgedacht und dann die Achseln gezuckt. »Doch das bedeutet nichts weiter, als daß der Druck auf Dunross zunimmt.«
»Schon möglich. Aber ihre Feindschaft geht tiefer, als mir das je untergekommen ist. Gornt könnte auch einen unbeabsichtigten Effekt erzielen.«
»Ich wüßte nicht, wie – zumindest vorderhand nicht. Gornt hat nur von der Flanke her angegriffen, wie das jeder gute General tut. Wären wir nicht schon von John Tschen im voraus informiert gewesen, Gornts Hinweise hätten lebenswichtig für uns sein können.«
»Hast du dich entschieden, mit wem wir zusammengehen wollen?«
»Nein. Was hast du für ein Gefühl?«
»Keines. Noch keines. Sie sind beide mächtige Burschen. Was glaubst du, Linc: Wurde John Tschen gekidnappt, weil er uns mit Informationen versorgt hat?«
»Ich weiß es nicht. Wie kommst du darauf?«
»Noch bevor Gornt aufkreuzte, nahm mich Inspektor Armstrong beiseite. Er wollte genau wissen, was John Tschen gestern abend zu mir gesagt hatte, worüber wir sprachen. Ich erzählte ihm alles, woran ich mich erinnern konnte – erwähnte allerdings nicht, daß ich ›es‹ hätte übernehmen sollen. Schließlich weiß ich ja immer noch nicht, was ›es‹ ist.«
»Es ist nichts Ungesetzliches, Casey.«
»Es gefällt mir nicht, daß ich es nicht weiß. Ich verliere den Boden unter den Füßen. Die Waffen, dieses brutale Kidnapping, die Beharrlichkeit der Polizei … Was hat John Tschen, was für uns wichtig ist, Linc?«
Sie erinnerte sich, wie er sie mit seinen lachenden blauen Augen gemustert hatte.
»Eine Münze. Eigentlich ist es eine halbe Münze.«
»Aber Linc … was …?«
»Mehr sage ich dir jetzt nicht, Casey, aber von dir möchte ich wissen: Sieht Armstrong einen Zusammenhang zwischen Johns Kidnapping und den Gewehren?«
»Ich weiß es nicht.« Sie hatte die Achseln gezuckt. »Wirklich nicht. Der Mann
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