Hongkong 02 - Noble House Hongkong
nur das Tor geschlossen und die im Kassenraum anwesenden Kunden abgefertigt, aber diesmal versperrten die drei Kassierer gehorsam ihre Geldladen, hängten die Schilder GESCHLOSSEN an die Schalter und wichen vor den ausgestreckten Händen zurück.
Die Menge innerhalb der Bank wurde zum Mob.
Die vorne Stehenden wurden gegen die Schalter gepreßt, als die draußen Wartenden versuchten, in die Bank zu gelangen. Ein Mädchen schrie auf. Hände griffen nach den Gittern, die mehr Zierde als Schutz waren. Jetzt waren alle wütend. Ein alter Matrose, der nächste in der Schlange, griff über den Tisch und rüttelte an der Geldlade. Die alte amah steckte in der brodelnden Menge, versuchte, hinauszukommen und hielt ihr Geld krampfhaft fest. Ihre Panik teilte sich den Umstehenden mit, und dann schrie jemand: »Erschlagt den Hurensohn …«, und die anderen griffen den Schrei auf: »Erschlagt ihn!«
Einen Sekundenbruchteil lang zögerten sie, dann drängten sie wie ein Mann vorwärts.
»Halt!«
Das Wort – auf Englisch, dann auf Haklo, auf Kantonesisch und dann wieder auf Englisch – schlug wie ein Blitz ein und säuberte die Atmosphäre.
Plötzlich trat völlige Stille ein.
Der uniformierte Chief Inspector stand unbewaffnet und ruhig vor ihnen, ein elektrisches Megaphon in der Hand. Er war aus einer der Bürotüren getreten.
»Es ist drei Uhr«, sagte er ruhig auf Haklo. »Das Gesetz besagt, daß die Banken um drei Uhr schließen. Diese Bank ist jetzt geschlossen. Bitte gehen Sie nach Hause! In Ruhe!«
Die Stille war jetzt gespannt, dann brummte ein Mann mürrisch: »Was ist mit meinem Scheißgeld …«, und andere griffen die Parole auf, aber der Polizeioffizier bewegte sich schnell, sehr schnell, ging furchtlos auf den Mann zu, quer durch den Mob. Der Mob wich zurück.
»Morgen«, sagte der Polizeioffizier, der den Mann weit überragte, sanft, »du bekommst morgen dein ganzes Geld.« Der Mann sah zu Boden; er haßte die kalten blauen Fischaugen und die Nähe des fremden Teufels. Widerwillig trat er einen Schritt zurück.
Der Polizist sah den anderen in die Augen. »Du da hinten«, rief er im Befehlston, immer mit der gleichen Selbstsicherheit, »dreh dich um und mach den anderen Platz!«
Gehorsam befolgte der Mann den Befehl. Der Mob wurde wieder zu einer Menge.
Noch ein kurzes Zögern, dann drehte sich der nächste um und drängte zur Tür. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, beeilt euch«, sagte er ärgerlich.
Sie begannen, die Bank zu verlassen; sie murmelten zornig vor sich hin, aber sie waren wieder Einzelpersonen, kein Mob. Sung und die Kassierer wischten sich den Schweiß von der Stirn und blieben zitternd hinter dem Sicherheitsglas der Schalter sitzen.
Der Chief Inspector half der alten amah aufzustehen. »Ist alles in Ordnung, Alte Dame?« fragte er auf Haklo.
Sie starrte ihn verständnislos an. Er wiederholte es auf Kantonesisch.
»Ach ja, ja«, antwortete sie heiser; sie hielt ihren Papiersack immer noch an die Brust gedrückt. »Danke, Geehrter Herr!« Sie schlurfte mit der Menge davon und verschwand. Der Raum leerte sich. Der Engländer trat hinter dem letzten Mann auf den Gehsteig hinaus und pfiff lautlos vor sich hin.
»Sergeant!«
»Ja, Sir.«
»Sie können die Männer jetzt wegschicken. Seien Sie morgen um neun Uhr mit einer Abteilung hier! Stellen Sie Schranken auf und lassen Sie immer nur drei von diesen Mistkerlen gleichzeitig in die Bank! Sie und vier Männer genügen vollauf.«
»Ja, Sir.« Der Sergeant grüßte. Der Chief Inspector kehrte in die Bank zurück. Er sperrte die Vordertür zu und lächelte Geschäftsführer Sung zu. »Ziemlich schwül heute, nicht wahr?« fragte er auf Englisch, um Sung ›Gesicht zu verleihen‹ – alle gebildeten Chinesen in Hongkong waren stolz darauf, daß sie die internationale Sprache beherrschten.
»Ja, Sir«, antwortete Sung nervös. Normalerweise mochte und bewunderte er diesen Chief Inspector sehr. Aber es war das erstemal, daß er erlebt hatte, wie ein quai loh mit harten Augen einen Mob herausforderte, vor ihm stand wie ein bösartiger Gott und darauf wartete, daß er in Aktion trat, um Pech und Schwefel zu spucken.
»Ich danke Ihnen, Chief Inspector.«
»Gehen wir jetzt in Ihr Büro, damit ich ein Protokoll aufsetzen kann!«
»Ja, bitte.« Sung riß sich vor seinen Mitarbeitern zusammen. »Sie schließen jetzt Ihre Bücher ab und machen Ordnung.«
Er ging in sein Büro voraus, setzte sich und lächelte freundlich. »Tee, Chief
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