Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Silber, Gold oder Kupfer – hauptsächlich Silber und Kupfer –, das man anfassen und verstecken konnte und das sich nie in Nichts auflöste.
Der besorgte Filialleiter hatte Richard Kwang um acht Uhr morgens angerufen.
»Aber Geehrter Herr, es müssen schon mindestens fünfhundert Menschen sein; die Schlange zieht sich den ganzen Hafen entlang.«
»Das macht nichts, Ehrenwerter Sung! Zahlen Sie alle aus, die Bargeld wollen! Machen Sie sich keine Sorgen! Sprechen Sie mit ihnen, es sind doch meist nur abergläubische Fischer! Überreden Sie sie dazu, nicht abzuheben! Aber wenn einer darauf besteht – zahlen Sie! Die Ho-Pak ist genauso gut wie die Bank of London oder die Victoria. Es ist eine böswillige Lüge, daß wir uns übernommen hätten. Zahlen Sie!«
Also hatten der Filialleiter und die Kassierer versucht, ihre Kunden davon zu überzeugen, daß es wirklich keinen Grund zur Besorgnis gab, daß böswillige Leute falsche Gerüchte verbreiteten.
»Natürlich können Sie Ihr Geld bekommen, aber glauben Sie nicht …«
» Ayeeyah, geben Sie ihr das Geld«, sagte der nächste ungeduldig. »Sie will ihr Geld, und ich will meines, und die Frau meines Bruders steht hinter mir und will das ihre.
Ayeeyah, ich habe nicht die Zeit, den ganzen Tag hier zu stehen. Ich muß mit dem Boot hinausfahren. In ein paar Tagen gibt es Sturm, und ich muß den Fang einbringen …«
Und die Bank hatte begonnen auszuzahlen. Den vollen Betrag.
Wie alle Banken verwendete die Ho-Pak die Einlagen, um Darlehen an andere zu gewähren. In Hongkong gab es wenig Vorschriften und wenig Gesetze. Manche Banken verliehen bis zu achtzig Prozent der Einlagen, weil sie sicher waren, daß ihre Kunden nie alle gleichzeitig ihr ganzes Geld verlangen würden.
Außer heute bei der Aberdeen-Zweigstelle.
Dreimal hatte der Filialleiter im Lauf des Tages zusätzliches Geld vom Hauptbüro im Central District anfordern müssen.
Eine Minute nach zehn saß ein zu allem entschlossener Vierfinger Wu mit Paul Tschoy vor dem Tisch des Managers, und Zweibeil Tok stand hinter ihm.
»Sie wollen alle Ihre Konten bei der Ho-Pak auflösen?« fragte Mr. Sung erschüttert.
»Ja. Jetzt«, antwortete Wu, und Paul Tschoy nickte.
Der Filialleiter sagte mit schwacher Stimme: »Aber wir haben nicht – «
Wu zischte: »Ich will mein ganzes Geld jetzt. Bar oder Barren. Jetzt! Verstehen Sie mich?«
Mr. Sung zuckte zusammen. Er rief Richard Kwang an und berichtete schnell. »Ja, ja, Herr.« Er reichte Wu das Telefon. »Der Ehrenwerte Kwang möchte mit Ihnen sprechen, Ehrenwerter Wu.«
Aber der alte Seemann war keinem guten Zureden zugänglich. »Nein. Jetzt. Mein Geld und das Geld meiner Leute – jetzt !«
»Aber in der Filiale liegt nicht soviel Bargeld, Ehrenwerter Onkel«, sagte Richard Kwang beruhigend. »Ich werde Ihnen statt dessen einen Bankscheck geben.«
Wu explodierte. »Ich will keinen Scheck. Ich will Geld! Verstehst du mich? Geld!« Er wußte nicht, was ein Bankscheck war, daher begann der erschreckte Mr. Sung, es ihm zu erklären. Paul Tschoys Miene hellte sich auf. »Das ist in Ordnung, Geehrter Onkel«, sagte er. »Ein Bankscheck …«
Der alte Mann brüllte: »Wie kann ein Stück Papier dasselbe sein wie Bargeld? Ich will Geld, mein Geld, und zwar jetzt!«
»Bitte lassen Sie mich mit dem Ehrenwerten Kwang sprechen, Großer Onkel«, sagte Paul Tschoy. »Vielleicht kann ich behilflich sein.«
Wu nickte mißmutig. »Gut, sprich, aber verlange Bargeld!«
Paul Tschoy stellte sich am Telefon vor und meinte: »Vielleicht geht es auf Englisch besser, Sir.« Er gab einige Erklärungen, darauf nickte er befriedigt. »Einen Augenblick, Sir.« Dann auf Haklo: »Großer Onkel, der Ehrenwerte Kwang wird dir den gesamten Betrag in Regierungsanleihen, Gold oder Silber, im Hauptbüro übergeben und ein Stück Papier für den restlichen Betrag, das du zur Bank of London oder zur Victoria bringen kannst. Aber wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Du besitzt keinen Safe, in den du die Barren sperren kannst, und du solltest vielleicht doch den Bankscheck des Ehrenwerten Kwang akzeptieren, mit dem ich bei jeder der beiden Banken für dich Konten eröffnen kann.«
Paul Tschoy hatte eine halbe Stunde gebraucht, um ihn zu überzeugen. Dann waren sie in das Hauptbüro der Ho-Pak gefahren, aber Wu hatte Zweibeil Tok beim zitternden Mr. Sung gelassen. »Du bleibst hier, Tok! Wenn ich mein Geld nicht bekomme, nimmst du es aus dieser Zweigstelle!«
Sie waren also
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