Hongkong 02 - Noble House Hongkong
in den Central District gefahren, und zu Mittag verfügte Vierfinger Wu über neue Konten, die Hälfte bei der Bank of London, die andere bei der Victoria. Paul Tschoy war überwältigt von der Zahl der Konten, die er schließen und wieder eröffnen mußte. Und vom Betrag.
Über zwanzig Millionen HK.
Trotz all seiner Bitten und Erklärungen hatte der alte Seemann sich geweigert, einen Teil seines Geldes dazu zu benützen, um einen Leerverkauf mit Ho-Pak-Aktien zu tätigen. Er behauptete, daß das eine Sache für quai-loh- Diebe sei. Paul war davongeschlüpft und zu allen bekannten Maklern gegangen, um das Geschäft auf eigene Rechnung zu machen. »Aber, lieber Freund, Sie haben ja keinen Kredit. Natürlich, wenn Sie mir das Siegel Ihres Onkels oder seine schriftliche Garantie bringen …«
Er entdeckte, daß die Maklerfirmen beinahe ausschließlich Europäern gehörten, vor allem Engländern. Keine einzige befand sich im Besitz von Chinesen. Alle Sitze in der Börse wurden von Europäern eingenommen, wieder vorwiegend von Engländern. »Das ist einfach nicht richtig, Mr. Smith«, sagte Paul Tschoy.
»Ach, ich fürchte, unsere Bürger, Mr. … Mr. Tschee, nicht wahr?«
»Tschoy. Paul Tschoy.«
»Ach ja. Ich fürchte, unsere Bürger interessieren sich nicht für komplizierte moderne Einrichtungen wie Maklerbüros und Effektenbörsen – Sie wissen natürlich, daß alle Einheimischen Einwanderer sind? Als wir herkamen, war Hongkong nur ein kahler Felsen.«
»Ja. Aber das interessiert mich, Mr. Smith. In den Staaten ist in Mak – «
»Ach ja, Amerika! Ich bin davon überzeugt, daß in Amerika die Dinge anders gehandhabt werden. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen … guten Tag!«
Kochend vor Wut war Paul Tschoy von einem Makler zum nächsten gegangen, hatte aber nirgends Erfolg gehabt.
Jetzt saß er auf dem Memorial Square auf einer Bank in der Nähe des Gerichts, des Struan- und des Rothwell-Gornt-Hochhauses und dachte nach. Dann ging er in die Gerichtsbibliothek und sprach mit dem Bibliothekar. »Ich komme von Sims, Dawson and Dick«, erklärte er hochtrabend. »Ich bin ihr neuer Anwalt aus den Staaten. Sie brauchen sofort einige Informationen über Börsenmakler und den Effektenmarkt.«
»Regierungsvorschriften, Sir?« fragte er ältliche Eurasier hilfsbereit.
»Ja.«
»Es gibt so gut wie keine.« Der Bibliothekar ging zu den Regalen. Der in Frage kommende Abschnitt bestand aus einigen Paragraphen in einem riesigen Band.
Paul Tschoy verschlug es den Atem. »Das ist alles?«
»Ja, Sir.«
Es schwindelte Paul Tschoy. »Aber dann steht die Börse ja allen offen.«
Der Bibliothekar lächelte amüsiert. »Ja, im Vergleich zu London oder New York. Und was die Makler betrifft – nun, jeder kann sich als Makler niederlassen, vorausgesetzt, daß es Leute gibt, die ihn beauftragen, Aktien zu verkaufen, und andere, die ihn beauftragen, Aktien zu kaufen, und daß sie ihm eine Kommission zahlen. Das Problem besteht darin, daß, hm, daß die bestehenden Firmen den Markt völlig beherrschen.«
»Wie sprengt man dieses Monopol?«
»Ich bezweifle, daß Sie das könnten, Sir. Die Engländer kontrollieren alles sehr genau.«
»Das halte ich nicht für gut.«
Der ältliche Mann schüttelte freundlich lächelnd den Kopf. »Ich nehme an, Sie wollen auf eigene Rechnung an der Börse spekulieren?« fragte er sanft.
»Ja …« Paul Tschoy versuchte, seinen Fehler zu verbessern: »Jedenfalls hat Dawson gesagt – «
»Aber, aber, Mr. Tschoy, Sie kommen doch nicht von Sims, Dawson and Dick«, meinte der andere höflich tadelnd. »Wenn die einen Amerikaner angestellt hätten – eine unerhörte Neuerung –, hätten ich und hundert andere es lange, bevor Sie hier an Land gingen, erfahren. Sie müssen Mr. Paul Tschoy sein, der Neffe des großen Wu Sang Fang, und Sie sind gerade erst aus Amerika, von Harvard, zurückgekommen.«
Paul Tschoy starrte ihn an. »Woher wollen Sie das wissen?«
»Wir befinden uns hier in Hongkong, Mr. Tschoy. Es ist ein Dorf. Wir müssen wissen, was vor sich geht. Nur so überleben wir. Wollen Sie an der Börse spekulieren?«
»Ja, Mr …?«
»Manuel Perriera. Ich bin Portugiese aus Macao.« Der Bibliothekar griff nach seinem Füllfederhalter und schrieb eine Empfehlung auf die Rückseite einer Visitenkarte. »Hier. Ishwar Soorjani ist ein alter Freund von mir. Sein Büro befindet sich gleich neben der Nathan Road in Kowloon. Er ist ein Parse aus Indien, verleiht Geld, auch in
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