Hongkong 02 - Noble House Hongkong
man kein Risiko ein.
»Das ist die oberste Regel, Casey«, hatte Linc ihr eingeschärft. »Setzen Sie es nie aufs Spiel! Niemals. Riskieren Sie Ihr Startgeld nur das eine oder die zwei Male, wenn Sie sich dazu entschlossen haben.«
Eine Million? Zwei? Drei?
Konzentriere dich auf die Konferenz und träume nicht, ermahnte sie sich. Gut, gut, aber mein Preis sind zwei Millionen bar auf der Bank. Steuerfrei. Das will ich haben.
Zwei Millionen zu 5 Prozent steuerfrei bringen 105.000 Dollar im Jahr. Und das wird mir und meiner Familie für immer alles geben, was ich brauche, und es bleibt sogar noch etwas übrig.
Der Rolls blieb plötzlich stehen, als sich eine Masse von Fußgängern durch die dichten Reihen von Automobilen und Doppeldeckerautobussen, Taxis und Lastwagen, Karren, Fahrrädern, Handwagen und Rikschas drängte. Tausende Menschen eilten dahin und dorthin in dieser Zeit des stärksten morgendlichen Verkehrs, quollen aus engen Seitenstraßen hervor und ergossen sich unaufhaltsam auf Fahrbahnen und Gehsteige. Ströme menschlicher Ameisen.
Casey hatte sich ausreichend über Hongkong informiert, aber auf die enormen Menschenmassen war sie einfach nicht vorbereitet.
»Ich habe so etwas noch nicht erlebt, Linc«, sagte sie, als er, kurz bevor sie zur Konferenz aufbrechen wollte, ins Hotel kam. »Es war schon nach zehn, als wir vom Flughafen kamen, aber ich sah noch Tausende von Menschen – und auch Kinder – auf den Straßen. Restaurants, Märkte, Läden – alles war noch offen.«
»Viele Menschen bringen großen Gewinn – warum sonst wären wir hier?«
»Wir sind hier, um im geheimen Einverständnis mit einem Judas Ischariot, einem gewissen John Tschen, vom Noble House of Asia Besitz zu ergreifen.«
Linc hatte mit ihr gelacht. »Ich stelle richtig: Wir sind da, um ein Geschäft mit Struan’s zu machen und uns umzusehen.«
»Dann ergeben sich also Änderungen an unserem Plan?«
»Charlie hat gestern abend noch angerufen. Wir haben weitere 20.000 Aktien von Rothwell-Gornt gekauft.«
»Dann ist also unser Gebot auf Struan’s nur eine Finte, und unser Ziel ist in Wirklichkeit Rothwell-Gornt?«
»Wir haben immer noch drei Ziele: Struan’s, Rothwell-Gornt und Asian Properties. Wir schauen uns um und warten. Wenn die Aussichten gut sind, schlagen wir zu. Wenn nicht, können wir aus dem regulären Geschäft mit Struan’s immer noch fünf oder acht Millionen herausholen. Das ist zusätzlicher Gewinn.«
»Wegen fünf oder acht Millionen bist du nicht hierhergekommen. Wozu wirklich?«
»Zum Vergnügen.«
Der Rolls schob sich ein paar Meter weiter und blieb wieder stehen. Sie näherten sich dem Zentrum, und der Verkehr wurde dichter.
»Ihr erster Besuch in Hongkong, Missee?« brach der Fahrer in ihre Gedanken ein.
»Ja, ja. Ich bin heute nacht angekommen«, antwortete sie.
»Ah, sehr gut. Wetter sehr schlecht. Macht nichts. Sehr stinken, sehr feucht. Immer feucht im Sommer. Erster Tag sehr schön, heya? «
Der erste Tag hatte mit einem Telefonanruf begonnen. »Armstrong. Tut mir leid, Sie so früh zu stören, Miss Tcholok, aber könnte ich Sie einen Augenblick sprechen?«
»Selbstverständlich, Inspektor. Lassen Sie mir fünf Minuten Zeit. Treffen wir uns im Restaurant?«
Sie hatten sich getroffen. Er hatte ihr Fragen gestellt und ihr nur mitgeteilt, daß an Bord der Maschine Bannware gefunden worden war.
»Wie lange arbeiten Sie schon für Mr. Bartlett?«
»Sechs Jahre.«
»Hat es je Probleme mit der Polizei gegeben? Irgendwelche Probleme?«
»Keine. Was haben Sie an Bord gefunden, Inspektor?«
»Meine Mitteilungen scheinen Sie nicht übermäßig zu überraschen.«
»Warum sollten sie? Ich habe nichts Ungesetzliches getan, und Mr. Bartlett ebensowenig. Und was die Crew angeht, sind das sorgfältig ausgesuchte Leute, und ich bezweifle, daß sie mit irgendwelchen Schmuggeleien zu tun haben könnten. Es sind Drogen, nicht wahr? Was für welche?«
»Warum sollten es Drogen sein?«
»Das ist es doch, was die Leute hier schmuggeln?«
»Es war eine große Ladung Gewehre.«
»Was?«
Er hatte ihr noch mehr Fragen gestellt, sie hatte die meisten beantwortet, dann war er gegangen. Sie hatte ihren Kaffee ausgetrunken und lehnte zum vierten Mal die hausgemachten, warmen, harten Weißbrötchen ab; sie erinnerten sie an die Franzbrötchen, die sie vor drei Jahren in Südfrankreich gegessen hatte.
Ach, Nizza und Cap d’Ail und der Wein der Provence. Und der liebe Linc, hatte sie gedacht und war
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