Hongkong 02 - Noble House Hongkong
in ihre Suite zurückgekehrt, um dort auf einen Anruf von ihm zu warten.
»Casey? Hör mal, die …«
»Ach, Linc, ich bin froh, daß du anrufst«, fuhr sie ihm sofort ins Wort. »Inspektor Armstrong war vor einigen Minuten da, und ich habe gestern abend vergessen, dich zu erinnern, daß du Martin wegen der Aktien anrufst.« Martin war ein Codewort und bedeutete: »Ich glaube, dieses Gespräch wird abgehört.«
»Ich habe auch an ihn gedacht. Das ist jetzt unwichtig. Erzähl mir genau, was passiert ist.«
Sie sagte es ihm. Er berichtete kurz, was auf dem Flughafen vor sich gegangen war.
»Den Rest erzähle ich dir, wenn ich hinkomme. Ich fahre jetzt direkt ins Hotel. Wie ist die Suite?«
»Phantastisch! Deine heißt Duftiger Frühling, mein Zimmer liegt daneben. Ich glaube, es gehört normalerweise dazu. Man hat das Gefühl, jede Suite wird von zehn Hausboys betreut. Das Bad ist groß genug für eine Cocktailparty mit zwanzig Gästen.«
»Gut. Warte auf mich.«
Sie saß auf einem der tiefen Ledersofas in dem luxuriösen Aufenthaltsraum, wartete und genoß die vornehme Umgebung. Wunderschöne chinesische Lackmöbel, eine gut bestückte Bar in einem kleinen, mit Spiegeln ausgestatteten Nebenraum, dezente Blumenarrangements. Ihr Schlafzimmer befand sich auf der einen, seines, das Herrenschlafzimmer, auf der anderen Seite. Es waren die größten, die sie je gesehen hatte, und die Betten überdimensional.
Gedankenverloren sah sie aus dem Panoramafenster, das den Blick auf die Insel Hongkong und den beherrschenden Victoria Peak, den höchsten Berg der Insel, freigab. Die Stadt, nach Königin Victoria benannt, begann an der Uferlinie und zog sich, Terrasse über Terrasse, an den Hängen des steil aufragenden Berges hinauf, ging aber dann in eine Siedlung von Villen und Gärten über, doch befanden sich auch Wohnkomplexe nahe dem Kamm. Einen konnte sie just oberhalb der Endstation der Peak-Tram auf dem Victoria Peak sehen. Die Leute da oben müssen eine phantastische Aussicht haben, dachte sie zerstreut.
Das Meer glitzerte in der Sonne, und auf dem Wasser herrschte der gleiche lebhafte Verkehr wie auf den Straßen Kowloons. Frachter und Passagierschiffe lagen vor Anker oder waren am Kai festgemacht, oder sie dampften mit gellenden Sirenen munter in Richtung Hafen oder Meer. Drüben auf der Marinewerft von Hongkong lag ein Zerstörer der Royal Navy und nicht weit davon entfernt eine dunkelgraue Fregatte der United States Navy. Hunderte von Dschunken jeder Größe und jeden Alters, zumeist Fischerboote, segelten schwerfällig hierhin und dorthin.
Wo leben alle diese Menschen? fragte sie sich entsetzt. Und wie verdienen sie ihren Lebensunterhalt?
Ohne zu klopfen öffnete ein Hausdiener mit seinem Hauptschlüssel die Tür, und Linc Bartlett trat ein. »Du siehst prächtig aus, Casey«, sagte er und schloß die Tür hinter sich.
»Du auch. Scheußliche Geschichte mit den Gewehren, nicht wahr?«
»Ist jemand da? Irgendwelche Stubenmädchen in den Zimmern?«
»Wir sind allein, aber diese Hausboys kommen und gehen, wie es ihnen beliebt.«
»Der Kerl jetzt eben hatte den Schlüssel schon draußen, bevor er noch bei der Tür war.« Er senkte seine Stimme. »Was war mit John Tschen?«
»Nichts. Er war nervös und machte Konversation. Wollte nicht vom Geschäft reden. Ich glaube, er hatte sich noch nicht von der Tatsache erholt, daß ich eine Frau bin. Er setzte mich im Hotel ab und sagte, sie wollten um Viertel nach neun einen Wagen schicken.«
»Fein. Hast du es bekommen?«
»Nein. Ich sagte, du hättest mich ermächtigt, das Ding entgegenzunehmen, und bot ihm die erste Sichttratte an, aber er tat überrascht wegen des Wechsels und sagte, er werde privat mit dir reden, wenn er dich nach dem Lunch zurückfährt. Er schien mir sehr nervös zu sein.«
»Das spielt keine Rolle. Dein Wagen wird in ein paar Minuten da sein. Wir sehen uns beim Lunch.«
»Sollte ich die Gewehre bei Struan’s erwähnen? Gegenüber Dunross?«
»Nein. Warten wir ab. Wollen mal sehen, wer es aufs Tapet bringt.«
»Du meinst, sie könnten etwas damit zu tun haben?«
»Durchaus möglich. Sie kannten unseren Fahrplan, und sie hätten ein Motiv.«
»Welches?«
»Uns zu diskreditieren.«
»Aber wäre es dann nicht viel klüger von ihnen gewesen, nichts zu tun und zu versuchen, uns für dumm zu verkaufen?«
»Mag sein. Aber so haben sie den Eröffnungszug gemacht. Es ist ein Angriff, der sich eindeutig gegen uns richtet.«
»Ja, aber von
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