Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Multimillionär gebracht hatte. »Ich habe wirklich nicht den Wunsch, dabei zu sein, und ich möchte auch früh schlafen gehen. Bitte.«
»Na gut. Ich erledige noch diese Anrufe und fahre los.« Dunross ging nach oben in sein Arbeitszimmer. Lim wartete schon auf ihn. Er trug eine weiße Bluse und schwarze Hosen. »Guten Abend, Lim«, begrüßte ihn Dunross auf Kantonesisch.
»Guten Abend, Tai-Pan!« Wortlos winkte ihn der alte Mann ans Fenster. Dunross konnte zwei Chinesen sehen, die auf der anderen Straßenseite herumstanden. »Sie sind schon eine ganze Zeit da, Tai-Pan.«
Dunross beobachtete sie beunruhigt. Sein eigener Wächter war eben nach Hause geschickt worden, und in Kürze würde Brian Kwok, auch er von Sir Shiteh geladen, ihn abholen kommen. »Wenn sie bei Einbruch der Dunkelheit nicht verschwunden sind, ruf Oberinspektor Crosse an!« Er schrieb ihm die Nummer auf und fügte hinzu: »Dabei fällt mir ein: Wenn ich möchte, daß am Wagen eines fremden Teufels herummanipuliert wird, gebe ich den Befehl dazu.« Die alten Augen ruhten unbewegt auf ihm. Lim Tschu war seit seinem siebenten Lebensjahr im Haus, so wie sein Vater und vor ihm dessen Vater.
»Ich verstehe nicht, Tai-Pan.«
»Feuer kann man nicht in Papier einwickeln. Die Polizei ist schlau, und der alte Schwarzbart tut viel für die Polizei. Fachleute können Bremsen untersuchen und alles mögliche herauslesen.«
»Ich weiß nichts von Polizei.« Der alte Mann zuckte die Achseln und lachte. »Ich klettere nicht auf Bäume, um einen Fisch zu fangen, Tai-Pan. Darf ich erwähnen, daß ich in der fraglichen Nacht nicht schlafen konnte und hierher kam? Ich sah einen Schatten auf dem Balkon. In dem Augenblick, da ich die Tür zum Arbeitszimmer öffnete, glitt der Schatten an der Dachrinne hinunter und verschwand im Gebüsch.« Der alte Mann nahm ein Stück Stoff aus der Tasche. »Das blieb an der Dachrinne hängen.«
Dunross betrachtete den Stoffetzen. Dann warf er einen Blick auf Dirk Struans Porträt über dem Kamin. Er schwenkte es von der Wand weg und stellte fest, daß das Haar, das er kaum merklich auf ein Scharnier gelegt hatte, unberührt geblieben war.
Zufrieden ließ er das Bild zurückschwingen. Die beiden Männer standen immer noch unten. Zum erstenmal war Dunross froh, daß er einen Bewacher vom SI hatte.
8
19.58 Uhr:
Es war heiß und schwül in Philip Tschens Arbeitszimmer. Er saß neben dem Telefon und starrte es nervös an. Die Tür ging auf, und Dianne kam herein.
»Es hat keinen Sinn, noch länger zu warten, Philip«, sagte sie gereizt. »Dieser Teufel von Werwolf kommt heute abend nicht mehr. Es muß ihm etwas dazwischengekommen sein.« Sie trug ein Abendchongsam nach der letzten teuersten Mode und war behängt wie ein Weihnachtsbaum. »Ja, etwas muß dazwischengekommen sein. Vielleicht hat die Polizei … Zieh dich um, oder wir kommen zu spät. Wenn du dich be…«
»Ich will nicht gehen«, fuhr er sie an. »Shiteh Ttschung ist ein Langweiler, und seitdem man ihn zum Sir gemacht hat, ist er überhaupt nicht mehr zu ertragen. Außerdem ist es noch nicht einmal acht, das Dinner beginnt offiziell um halb zehn, und seine Dinners fangen immer erst mit einer Stunde Verspätung an. Um Himmels willen, geh schon!«
» Ayeeyah, du mußt mitkommen. Wir müssen das Gesicht wahren«, entgegnete sie ebenso verdrießlich. »Mein Gott, nach dem heutigen Tag an der Börse … Wenn wir nicht gehen, werden wir schrecklich an Gesicht verlieren, und das wird den Kurs noch weiter drücken! Ganz Hongkong wird uns auslachen!«
Ihr Mann nickte verbittert. Er wußte, wie viele Klatschbasen und Lästermäuler zu dem Bankett kommen würden. Den ganzen Tag über hatte man ihm mit Fragen, Wehklagen und Gezeter zugesetzt. »Wahrscheinlich hast du recht.« Fast eine Million Dollar hatte er heute verloren, und er wußte: Wenn Gornt den Sieg davontrug, war er erledigt. Oh, oh, oh, wie konnte ich Dunross so vertrauen und mich so stark engagieren? warf er sich vor. Er betrachtete seine Frau und verzagte, als er die Zeichen ihrer schlechten Laune erkannte. »Na gut«, gab er sich geschlagen, »ich bin gleich soweit.«
Er war schon an der Tür, als das Telefon läutete. Wieder stockte ihm das Herz. Seit sechs hatte er schon vier Anrufe entgegengenommen, alles Geschäftsfreunde, die den Kurssturz bejammerten und wissen wollten, ob die Gerüchte stimmten. Oh ko , vielleicht sollte ich doch noch verkaufen – einer schlimmer als der andere.
» Weyyyy? «
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