Hongkong 02 - Noble House Hongkong
gehört?«
»Ja, das habe ich.« Es war Philip Tschen unangenehm, mit einem Fremden zu reden, aber er hatte keine andere Wahl. Er wiederholte die Anweisungen, die man ihm gegeben hatte.
»Augenblick, Sir.«
Er hörte, wie eine Hand über die Sprechmuschel gelegt wurde, und wieder gedämpftes, undeutliches Sprechen im Haklodialekt und dann: »Alles in Ordnung, Sir. Wir schicken Ihnen einen Wagen – Sie rufen von Struans Ausguck an?«
»Ja … Ja, ich bin daheim.«
»Der Fahrer ist einer von unseren Burschen. Weitere Leute von meinem Onkel werden über Kowloon Tong verteilt sein, also machen Sie sich bitte keine Sorgen, Sie werden ständig beobachtet! Übergeben Sie das Geld, den Rest besorgen wir. Das Taxi steht in zwanzig Minuten vor Ihrer Tür.«
Paul Tschoy legte den Hörer auf. »Noble House Tschen sagt Dankeschön, verehrter Vater«, versuchte er Vierfinger zu besänftigen. Er zitterte unter den kalten Augen, Schweißtropfen perlten ihm auf der Stirn. Vergeblich versuchte er, vor den anderen seine Angst zu verbergen. Es war heiß und stickig in der mit Menschen vollgestopften Hauptkabine einer alten Dschunke, die an einem Liegeplatz in einem der unzähligen Meeresarme Aberdeens festgemacht war. »Kann ich mit deinen Straßenkämpfern mitgehen?«
»Schickt man einen Hasen gegen einen Drachen aus?« zischte Wu. »Bist du als Straßenkämpfer ausgebildet? Bin ich ein Dummkopf wie du? Hinterhältig wie du?« Mit einem schwieligen Daumen deutete er auf Gutwetter Poon. »Du führst sie an!« Der Mann eilte hinaus, die anderen folgten ihm.
Vierfinger und sein Sohn waren allein in der Kabine.
Der alte Mann saß auf einem umgekehrten Faß. Er zündete sich eine Zigarette an, zog den Rauch ein, hustete und spuckte geräuschvoll auf den Boden. Um sie herum standen ein paar alte Schreibtische, Aktenschränke, wacklige Stühle und zwei Telefone; das war Vierfinger Wus Büro und Nachrichtenzentrale. Von hier gingen die Botschaften an seine Flotten hinaus. Sein Hauptgeschäft war die Beförderung von Gütern, aber wo immer die Lotusflagge wehte, lautete der Befehl an seine Kapitäne: Wir befördern alles, an jeden Ort, zu jeder Zeit – vorausgesetzt, das Frachtgeld stimmt.
Wieder hustete der Alte und funkelte seinen Sohn unter buschigen Augenbrauen an. »Sie haben dir merkwürdige Dinge beigebracht in den Goldenen Bergen, heya ?«
Paul Tschoy hütete seine Zunge und wartete mit klopfendem Herzen. Er wünschte, er wäre nie nach Hongkong zurückgekommen.
»Hat man dich dort gelehrt, nach der Hand zu schnappen, aus der du frißt, heya ?«
»Nein, verehrter Vater, es …«
»Hat man dich dort gelehrt, daß mein Geld dein Geld ist, mein Vermögen dein Vermögen und mein Chop der deine, mit dem du nach Belieben verfahren kannst, heya ?«
»Nein, verehrter Vater. Es tut mir leid, daß ich dein Mißfallen erregt habe«, murmelte Paul Tschoy.
Früh morgens, als Gornt nach seinem Gespräch mit Bartlett in sein Büro spaziert kam, waren die Sekretärinnen noch nicht da, und Gornt hatte ihm aufgetragen, ihn mit einigen Leuten zu verbinden. Paul Tschoy hatte sich nichts dabei gedacht, bis er zufällig etwas mit anhörte, was offenbar eine vertrauliche Information über Struan’s war. Er erinnerte sich an Bartletts ersten Anruf und folgerte, daß Gornt und Bartlett sich zu einem Gespräch getroffen hatten, das offenbar erfolgreich verlaufen war. Als er bemerkte, daß Gornt die gleichen vertraulichen Mitteilungen immer wieder weitergab, erreichte seine Neugier ihren Höhepunkt. Dann hörte er auch noch, wie Gornt zu seinem Agenten sagte: »… leer verkaufen … Keine Sorge, wir machen nichts … Ich schicke Ihnen den Auftrag, firmenmäßig gezeichnet, sobald …«
Als nächstes mußte er eine Verbindung mit dem Direktor der Schweizer Bank in Zürich herstellen. Vorsichtig schaltete er sich ein und hörte: »… ich erwarte für heute vormittag, vor elf, einen größeren Eingang in US-Dollars. Sobald er gutgeschrieben ist, rufen Sie mich sofort an.«
Nachdenklich hatte er die verschiedenen Glieder der Gleichung zusammengefügt und sich eine Theorie gebildet: Wenn Bartlett plötzlich eine heimliche Partnerschaft mit Gornt, Struan’s deklariertem Feind, eingegangen war, um ihm bei einem seiner Raids den Rücken zu decken, wenn Bartlett eine große Summe auf eines von Gornts Schweizer Nummernkonten deponierte, um mögliche Verluste aus Leerverkäufen abzudecken, und wenn er Gornt dazu ermuntert hatte, den Kampf an
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