Hongkong 02 - Noble House Hongkong
werden das alles ändern!«
»Jede Generation glaubt, daß sie die Welt verändern wird«, sagte Dunross und schenkte die Gläser voll. »Wir waren ja auch nicht anders. Erinnerst du dich noch, wie wir über unsere Eltern hergezogen sind?«
»Das stimmt schon. Aber unsere Töchter haben die Pille, und damit sieht die Sache ganz anders aus. Außerdem …«
»Was hast du da gesagt?« Geschockt starrte Dunross sie an. »Du meinst, Adryon nimmt die Pille? Du lieber Himmel, seit wann … Soll das heißen, sie …?«
»Beruhige dich, Ian, und höre mir zu! Die Pille hat den Frauen – und bis zu einem gewissen Punkt auch den Männern – für immer die Angst genommen. Ich glaube, daß sich nur wenige Menschen darüber klar sind, welche gewaltige soziale Umwälzung sie bewirken wird. Keine Frau braucht jetzt noch zu fürchten, ein Kind zu bekommen.« Sie sah ihn scharf an. »Und was Adryon betrifft, hat sie die Pille mit siebzehn entdeckt.«
»Was?«
»Aber sicher. Wäre es dir lieber gewesen, wenn sie ein Kind nach Hause gebracht hätte? Ich habe sie damals zu Dr. Tooley geschickt. Ich hielt es für das beste.«
»Was hast du?«
»Aber natürlich. Als sie siebzehn war, fragte sie mich um Rat und erzählte mir, daß die meisten ihrer Freundinnen die Pille nehmen. Da es verschiedene Arten gibt, wollte ich sie von einem Fachmann beraten lassen. Aber du wirst ja ganz rot, Ian? Adryon ist neunzehn, nächsten Monat wird sie zwanzig, es ist etwas ganz Normales.«
»Bei Gott, das ist es nicht!«
»O doch, Jungchen, es ist so …« – seine heißgeliebte Oma Dunross hatte ihn Jungchen genannt – »und darauf will ich ja gerade hinaus: Die Mädchen von heute wissen, was sie wollen! Und daß du dir nicht einfallen läßt, Adryon gegenüber etwas zu erwähnen, sonst bekommst du es mit mir zu tun! Zum Wohl!« Mit sich zufrieden, hob sie ihr Glas. »Hast du die Extraausgabe des Guardian von heute nachmittag gelesen?«
»Wechsle bitte nicht das Thema, Penn! Meinst du nicht, ich sollte mit ihr reden?«
»Auf keinen Fall! Nein, nein. Das ist eine sehr private Sache. Es ist ihr Körper und ihr Leben, und du kannst sagen, was du willst, sie hat das Recht, mit ihrem Leben zu machen, was sie will. Daran wird nichts, was du ihr sagen könntest, etwas ändern.«
»Ich dachte nur an … nur so.«
»Wer ihr Liebhaber war, ist oder sein könnte?«
»Ja.«
Penelope Dunross seufzte. »Mach dich doch nicht verrückt, Ian! Sie ist sehr sensibel und bald zwanzig … und weil wir gerade von ihr reden, ich habe sie heute den ganzen Tag noch nicht gesehen. Der Fratz ist mit meinem neuen Schal ausgerückt! Erinnerst du dich an die Bluse, die ich ihr geliehen habe? Ich fand sie heute zerknüllt auf dem Boden ihres Badezimmers. Es wird mir ein Vergnügen sein, sie an die Luft zu setzen und sie in ihrer eigenen Wohnung unterzubringen.«
»Um Himmels willen! Sie ist doch noch zu jung!«
»Da bin ich aber nicht deiner Meinung. Wie schon gesagt, gegen den Fortschritt kannst du nichts tun, und die Pille ist ein phantastischer, wunderbarer Fortschritt.
Du mußt wirklich vernünftig sein. Bitte.«
»Es ist … verdammt, ein bißchen plötzlich kommt es schon.«
Sie lachte. »Wenn es um Glenna ginge, könnte ich noch verstehen … um Gottes willen, Ian, ich habe nur gescherzt. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, du könntest in Adryon nicht eine völlig gesunde und ausgeglichene, wenn auch oft übellaunige, aufreizende, sehr frustrierte junge Dame erblicken. Ihr Frust entspringt vornehmlich ihren Bemühungen, uns mit unseren altmodischen Ideen Freude zu machen.«
»Du hast recht.« Es sollte überzeugend klingen, aber das tat es nicht. »Du hast zwar recht … du hast recht.«
»Meinst du nicht, es wäre an der Zeit, dem Fluchbaum einen Besuch zu machen, Jungchen?« fragte sie lächelnd. Es war ein alter Brauch drüben in der schottischen Heimat, daß irgendwo nahe dem Haus, in dem die älteste Frau der Gutsherrenfamilie lebte, der Fluchbaum stand. In Ians Jugend war Oma Dunross die älteste, und ihr Haus befand sich in einem Wäldchen in Ayrshire auf Struanschem Besitz. Der Baum war eine Rieseneiche. Zu diesem Baum ging man, wenn einen, wie Oma Dunross es nannte, der Teufel ritt, stellte sich vor ihn hin und fluchte nach Herzenslust. »Und dann, Mädelchen«, hatte ihr die entzückende alte Dame anvertraut, »… und dann herrscht Friede im Haus, und kein Mensch hat es mehr nötig, einen anderen zu beschimpfen!«
Penelope
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