Hongkong 02 - Noble House Hongkong
organisieren. Als er dann endlich auch heimgehen wollte, hatte Crosse ihn über Funk angewiesen, früh am Morgen in Happy Valley zu sein.
Er beobachtete Dunross. Was geht in seinem Kopf vor? fragte er sich, und ein Gefühl wie Neid stieg in ihm auf. Was könnte ich mit seiner Macht und seinem Geld nicht alles erreichen!
Er sah wie Dunross seine Richtung änderte; erst dann fiel sein Auge auf Adryon, die neben Martin Haply auf der nahen Tribüne saß. Ohne Dunross zu bemerken, beobachteten sie die Pferde. Dew neh loh moh, dachte er überrascht, ist das Mädel hübsch! Nur gut, daß ich nicht ihr Vater bin! Ich hätte alle Hände voll zu tun.
Auch Crosse und die anderen hatten die beiden gesehen. »Was hat dieser Bastard mit der Tochter des Tai-Pan vor?« fragte Pugmire in säuerlichem Ton.
»Bestimmt nichts Gutes«, äußerte einer.
»Dieser verdammte Kerl richtet nichts als Unfug an!« murmelte Pugmire, und die anderen nickten zustimmend. »Ich weiß wirklich nicht, warum Toxe ihn nicht rausschmeißt.«
»Weil er Sozialist ist, darum! Man sollte auch ihm den Stuhl vor die Tür stellen!«
»Ach, seien Sie friedlich, Pug«, mischte Shiteh sich ein. »Toxe ist in Ordnung, aber er sollte Haply feuern, und wir hätten alle ein leichteres Leben.« Sie waren durch die Bank Zielscheiben von Haplys Angriffen gewesen. Vor ein paar Wochen hatte er mit einer sensationellen Artikelserie Furore gemacht, in der er einige von Shi-tehs dunklen Geschäften aufdeckte und durchblicken ließ, daß verschiedene hochgestellte Persönlichkeiten in der Hongkonger Regierung als Entgelt für gewisse Gefälligkeiten dubiose Zuwendungen erhielten.
»Ich bin ganz Ihrer Meinung«, pflichtete Pugmire ihm bei; auch er haßte ihn. Mit der Sorgfalt eines guten Journalisten hatte Haply die Einzelheiten von Pugmires bevorstehender Fusion mit Superfood offengelegt und keinen Zweifel daran gelassen, daß Pugmire in weit höherem Maß daran verdiente als seine Aktionäre, die über die Einzelheiten dieser Transaktion nur sehr mangelhaft informiert worden waren.
»Schon recht sonderbar, daß er bei ihr sitzt«, bemerkte Crosse. »Struan’s ist das einzige Großunternehmen, das er noch nicht angegriffen hat.«
Gespannt beobachteten sie Dunross, der auf die beiden zuging – sie hatten ihn immer noch nicht bemerkt.
»Vielleicht haut er ihn zusammen, wie er das mit dem anderen Heini gemacht hat«, sagte Pugmire schadenfroh.
»Wer war das? Was war mit ihm?« erkundigte sich Shiteh.
»Ach, ich dachte, Sie wüßten davon. Vor etwa zwei Jahren begann einer dieser jungen Direktoren der Vic, frisch aus England importiert, Adryon nachzustellen. Sie war sechzehn, vielleicht siebzehn, er zweiundzwanzig, ein Riesenkerl, größer als Dunross, und er hieß Byron. Er machte ihr auf Teufel komm raus den Hof. Das arme Ding war hin- und hergerissen. Dunross warnte ihn ein letztes Mal. Der Bursche ließ sich nicht abschrecken, und eines Tages lud Dunross ihn nach Shek-O ein, führte ihn in seinen Gym-Raum, zog sich seine Boxhandschuhe an – er wußte, daß sich der Kerl für einen großen Boxer hielt – und schlug ihn zu Brei.« Die anderen lachten. »Eine Woche später schickte ihn die Bank nach England zurück.«
Shiteh warf einen Blick zu Dunross hinüber. »Vielleicht macht er es mit diesem kleinen Scheißer genauso«, sagte er heiter.
Dunross lief die Stufen der Tribüne hinauf und blieb neben den beiden stehen. »Guten Morgen, mein Liebling«, begrüßte er seine Tochter. »Du bist ja schon früh auf.«
»Guten Morgen, Dad«, sagte Adryon überrascht. »Ich habe dich nicht … Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?«
»Ich bin einem Bus hinten hineingefahren. Morgen, Haply.«
»Guten Morgen, Sir.«
»Einem Bus?« wiederholte sie. Und dann: »Hast du mit dem Jaguar Bruch gemacht? Hast du einen Strafzettel bekommen?« fragte sie erwartungsvoll. Sie selbst hatte dieses Jahr schon drei kassiert.
»Nein. Wieso bist du schon so früh unterwegs?« fragte er und setzte sich neben sie.
»Eigentlich ist es für uns schon spät. Wir waren die ganze Nacht auf.«
»Ach ja? Habt ihr etwas gefeiert?«
»Nein. Es geht um den armen Martin.« Sanft legte sie eine Hand auf die Schulter des jungen Mannes. Nur mit Mühe gelang es Dunross, ein ebenso sanftes Lächeln aufzusetzen. Er wandte seine Aufmerksamkeit dem jungen Kanadier zu. »Haben Sie Probleme?«
Haply zauderte und erzählte ihm dann, was geschehen war, als die Verlegerin angerufen und Christian
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