Hongkong 02 - Noble House Hongkong
Flut, die, Steine und Schlamm und Vegetation mit sich fortreißend, die Kotewall Road herunterwirbelte. Die Regenrinnen waren längst verstopft. Autos und Lastkraftwagen quälten sich vorsichtig die enge Straße hinauf und hinunter und bahnten sich spritzend und patschend einen Weg durch Wirbel und Strudel.
Auf der anderen Straßenseite stieg das Land steil empor, und Bartlett sah die große Zahl von Rinnsalen, die kaskadenförmig über die Dämme herabstürzten, die das Erdreich festhielten. Aus Sprüngen wuchs Unkraut. Eine gemauerte Garage schloß den Damm ab und ein Stück den Berghang hinauf stand halb versteckt eine reichgeschmückte Villa in chinesischem Stil mit einem grünen Ziegeldach und Drachen auf den Giebeln. Anschließend daran ragte eine Wohnanlage bis in die Wolken.
Was hier so alles gebaut wird, stellte Bartlett kritisch fest. Vielleicht sollten wir da auch ein wenig mitmischen. Wenn zu viele Leute zuwenig Land nachjagen, bedeutet das Profit! Und Amortisation in drei Jahren – einfach toll! Der Pfützen nicht achtend, kam ein Taxi angeschwommen. Fahrgäste stiegen aus, und andere kletterten brummend hinein. Ein chinesisches Ehepaar kam aus dem Haus, marschierte an ihm und den anderen vorbei und stellte sich an den Anfang der Schlange – eine laut schnatternde, füllige Matrone mit einem riesigen Schirm, einem teuren Regenmantel über ihrem chong-sam, der Mann demütig und bescheiden neben ihr hertrottend. Es war 10 Uhr 15.
Und was jetzt, fragte sich Bartlett. Laß dich von Orlanda nicht ablenken! Struan’s oder Gornt?
Wem wünsche ich den Sieg? Dunross oder Gornt?
Dieser Gornt ist ein Glückspilz. War ein Glückspilz. Orlanda ist ein Kapitel für sich.
Hätte ich sie an seiner Stelle aufgegeben? Aber sicher – oder vielleicht auch nicht. Es ist ja schließlich nichts passiert. Aber sobald ich gekonnt hätte, hätte ich sie geheiratet und unser Kind nicht nach Portugal geschickt. Dieser Gornt ist ein mieser Hurensohn. Oder verdammt clever. Was denn nun? Will ich sie heiraten? Nein.
Will ich mit ihr schlafen? Na klar.
Also lege dir einen Plan zurecht, manövriere sie ins Bett, aber geh keine Verpflichtungen ein! In der Liebe und im Krieg sind alle Mittel erlaubt. Was ist denn das, Liebe? Wie Casey schon sagte: Sex ist nur ein Teil davon.
Casey. Was ist mit ihr? Ich brauche nicht mehr lange auf sie zu warten, und was kommt dann? Der Teufel soll mich holen, wenn ich noch einmal heirate! Das eine Mal hat mir genügt. Seltsam. An sie habe ich schon lange nicht mehr gedacht.
Als Bartlett 1945 aus dem Krieg gekommen war, hatte er sie in San Diego kennengelernt, sie, von Liebe und Ehrgeiz besessen, eine Woche später geheiratet und gleich darauf in Südkalifornien ein Baugeschäft angefangen. Die Zeit war reif dafür in Kalifornien, wo an allen Ecken und Enden gebaut wurde. Nach zehn Monaten kam das erste Kind, das zweite ein Jahr später und ein drittes zehn Monate danach. Die ganze Zeit über hatte er Sonnabende und Sonntage gearbeitet und Freude an seiner Arbeit gehabt. Er war jung, kräftig und erfolgreich, lebte sich aber mit seiner Frau auseinander. Dann begann das Gezänk, das Gejammer und das »Du kommst überhaupt nicht mehr zu uns nach Hause« und: »Zum Teufel mit deinem Laden, das Geschäft ist mir schnurz!« und: »Ich will nach Frankreich und nach Rom!« und: »Warum kommst du nicht früher heim?« und: »Hast du eine Freundin?« und: »Ich weiß, daß du eine Freundin hast …« Aber es gab keine Freundin, es gab nur die Arbeit. Und dann eines Tages der Brief des Anwalts. Mit der Post.
Scheiße, dachte Bartlett zornig; es tat immer noch weh. Ja, deine Briefe und Anrufe schmerzen mich und kosten mich viel Geld. Einen schönen Batzen bekommen die Anwälte, und sie schüren kräftig das Feuer zu ihrem Vorteil. Anwälte sind das große Unglück der Vereinigten Staaten. In meinem ganzen Leben habe ich nur vier anständige gefunden, aber der Rest? Parasiten. Keiner ist vor ihnen sicher! Es kostete Bartlett Mühe, diese trüben Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Er sah in den Regen hinaus. Es ist ja nur Geld, dachte er, und ich bin frei, frei wie der Vogel in der Luft, und das ist ein herrliches Gefühl.
Ich bin frei, aber was ist mit Casey und Orlanda?
Mein Gott, dachte er, und noch fühlte er den Schmerz in seinen Lenden, ich war da eben ganz schön in Fahrt, und Orlanda auch. Verdammt, mit Casey ist es schon schlimm genug, und jetzt habe ich zwei von der gleichen Sorte! Er
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