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Hongkong 02 - Noble House Hongkong

Hongkong 02 - Noble House Hongkong

Titel: Hongkong 02 - Noble House Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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versetzt werden, denn dann hätte ich eine sichere und bedeutende Lebensaufgabe. Ich würde alle möglichen Geheimnisse erfahren, die Geheimnisse wären mein Schutz und würden mich, wenn ich einmal in Pension gehe, reich machen.
    Sie bogen um eine Ecke und standen vor der Süßwarenbude. Ein oder zwei Minuten feilschte er mit dem zahnlosen alten Weib, dann zahlte er ihr zwei Kupferkäsch, und sie gab dem kleinen Mädchen einen süßen Reiskuchen und eine gute Handvoll ach so schmackhafter, bittersüßer, an der Sonne getrockneter Orangenschalen.
    »Danke dir, Sechster Onkel«, sagte das kleine Mädchen und lächelte glückselig unter ihrem großen Strohhut zu ihm hinauf.
    »Hoffentlich schmeckt es dir, Fünfte Nichte«, erwiderte er liebevoll. Wenn die Götter uns gnädig gesinnt sind, wird sie zu einem lieblichen Mädchen heranwachsen, dachte er zufrieden, dann können wir ihre Jungfernschaft für eine schöne Summe Geld verkaufen, und auch ihre späteren Dienstleistungen werden dem Wohl der Familie zugute kommen.
    Augenglas Wu war sehr stolz darauf, daß er in der Stunde ihrer Not soviel für diesen Teil seiner Familie hatte tun können. Alle in Sicherheit und wohlgenährt, und mit etwas Joss wird mein so geduldig ausgehandelter Prozentsatz an der Plastikblumenerzeugung des Neunten Onkels in ein oder zwei Jahren ausreichen, um meine Miete zu zahlen. Drei Tage in der Woche esse ich gratis gute Ning-tok-Reismehlsuppe, und so komme ich leichter mit meinem Gehalt aus und brauche keinen zu melken – was zwar sehr leicht wäre, aber mir meine Zukunft verbauen könnte.
    »Lauf jetzt schön nach Hause, und morgen bin ich wieder da«, sagte er. »Paß auf dich auf!«
    Er beugte sich nieder, um sich von ihr umarmen zu lassen, erwiderte die Umarmung und ging seiner Wege. Ein Stück Reiskuchen im Mund, kletterte die Kleine den Berg hinauf.
    Eintönig und dicht fiel der Regen. Die Flut aus dem Entwässerungsgraben riß allen möglichen Schutt mit sich fort und schleuderte ihn gegen die Hütten, aber das Kind setzte seinen Weg vorsichtig fort. Das Wasser war teilweise tief, und hier, wo es steiler bergauf ging, fast so reißend wie ein Strom. Eine ausgezackte Zwanzig-Liter-Kanne kam heruntergeschossen, auf sie zu, verfehlte sie knapp und krachte durch eine Wand aus Pappkarton.
    Erschreckt blieb sie stehen.
    »Mach, daß du weiterkommst! Hier gibt’s nichts zu stehlen!« rief ihr eine wütende Frau zu. »Geh nach Hause! Zieh Leine!«
    »Ja … ja«, sagte sie und begann sich zu beeilen. In diesem Augenblick gab die Erde unter ihr nach, und der Erdrutsch begann. Hunderte Tonnen Schlamm, Erde und Gestein stürzten herab und begruben alles unter sich. In Sekundenschnelle rissen sie in einem Umkreis von fünfzig Metern und mehr die elenden Hütten auseinander, streuten Männer, Frauen und Kinder umher, verschütteten die einen, schlugen andere zu Krüppeln, und hinterließen eine wirbelnde Schneise, wo eben noch eine Siedlung gewesen war.
    Dann hörte es auf. So plötzlich, wie es begonnen hatte.
    Eine große Stille breitete sich aus, nur vom Rauschen des Regens unterbrochen.
    Plötzlich ertönten Schreie und Hilferufe. Aus den von dem Erdrutsch verschont gebliebenen Hütten kamen Männer, Frauen und Kinder gestürzt, um den Göttern zu danken, und trugen mit ihren Dankesbezeigungen noch zur allgemeinen Verwirrung bei.
    Das kleine Mädchen stand immer noch unsicher am Rand des Abgrundes, wo die Erde abgefallen war. Ungläubig starrte sie hinab. Zehn Fuß unter ihr, wo noch vor Sekunden fester Boden gewesen war, waren Felsbrocken und Schlamm und Tod. Der Rand bröckelte ab, und kleine Schlamm- und Steinlawinen stürzten in den Abgrund. Sie spürte, wie ihre Füße zu rutschen begannen; sie tat einen zögernden Schritt rückwärts, aber die Erde gab immer noch nach, und sie blieb erschrocken stehen. Den restlichen Reiskuchen hielt sie fest. Ihre Zehen krallten sich in die weiche Erde, um nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen.
    »Geh zurück von der Kante!« schrie ein anderer, und die Leute guckten, warteten und hielten den Atem an, um zu erfahren, wie die Götter entscheiden würden.
    Doch dann brach ein zehn Fuß breiter Streifen des Kraterrandes ein und stürzte, das Kind mit sich reißend, in den Schlund hinab. Sie wurde nur bis zu den Knien verschüttet. Sie vergewisserte sich, daß der Reiskuchenrest noch in ihrer Hand war, und brach erst dann in Tränen aus.

6
    11.30 Uhr:
    Vorsichtig bahnte sich Inspektor Armstrongs

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