Hongkong 02 - Noble House Hongkong
einen Wasserhahn für hundert Familien, keine Kanalisation, keinen elektrischen Strom, und doch blühte die Stadt dieser Siedler, und es herrschte Ordnung. Schon hatte ein Onkel ein Stück tiefer am Hang eine Hütte zu 1,50 HK den Quadratfuß im Monat gemietet und eine bescheidene Fabrikation von Plastikblumen begonnen, ein anderer eine Bude am Markt gemietet, wo er scharf gewürzte Reiskuchen und Reismehlsuppe verkaufte.
Alle siebzehn arbeiteten, um achtzehn Mäuler zu stopfen – ein Baby war vorige Woche geboren worden.
Helft mir, ihr Götter, flehte Augenglas Wu, daß ich noch zeitgerecht etwas von der Belohnung für die Ergreifung der Werwölfe bekomme, damit ich Sonnabend auf Pilot Fish setzen kann; denn nach allen Zeichen wird dieser schwarze Hengst zweifelsohne das Rennen gewinnen!
Er unterdrückte ein Gähnen, während er barfuß mit seiner sechsjährigen Nichte eines der schmalen gewundenen Gäßchen des Umsiedlungslandes hinabstapfte. Immer wieder beschlug der Regen seine dicken Augengläser. Auch die Kleine war barfuß. Sie gingen sehr vorsichtig, um nicht auf Glasscherben oder rostiges Eisen zu treten. Der Schlamm war stellenweise knöcheltief. Beide hatten ihre Hosen hoch aufgekrempelt. Sie trug einen breiten Kulihut, der sie noch kleiner erscheinen ließ.
Sein Hut war ein ganz gewöhnlicher und aus zweiter Hand wie auch seine Kleider.
Ausgenommen die Uniform, waren das die einzigen Kleider, die er besaß. Die Schuhe trug er in einem Plastiksack unter dem Regenmantel, um sie vor Schaden zu bewahren. »Scheißregen!« fluchte er und war froh, daß er nicht hier wohnte, sondern in dem Mietzimmer, das er mit seiner Mutter teilte. Es lag nahe dem Polizeirevier, war trocken und von den Launen der Wettergötter unabhängig. Den Göttern sei Dank, daß ich diesen Weg nicht alle Tage machen muß! Meine Kleider wären schon längst kaputt, und meine Zukunft wäre gefährdet, denn beim Special Intelligence gibt man viel auf eine adrette Erscheinung und Pünktlichkeit. O ihr Götter, laßt dies meinen großen Tag sein!
Müdigkeit kam über ihn. Er zog den Kopf ein und spürte, wie ihm der Regen beim Kragen hineintröpfelte. Er hatte die ganze Nacht Dienst gemacht. Heute früh hatte er erfahren, daß man das Quartier der alten Ah Tam durchsuchen wollte, der amah, die mit den Werwölfen in Verbindung stand und deren Wohnort er ausgekundschaftet hatte. Aber er wollte seinen Großvater besuchen, der im Sterben lag; er versprach, sich zu beeilen, um rechtzeitig wieder da zu sein.
Er warf einen Blick auf seine Uhr. Er hatte noch genügend Zeit, die eine Meile zum Revier zu Fuß zu gehen. Zufrieden setzte er seinen Weg fort und bog in eine breitere Gasse ein, die an einem Entwässerungsgraben entlangführte. Der Graben war vier Fuß tief und diente üblicherweise als Kanal oder Senkgrube, gelegentlich auch zum Wäschewaschen, je nachdem, wieviel Wasser er enthielt. Jetzt quoll er über, und die wirbelnde Brühe trug zum Elend der tiefergelegenen Wohnstätten bei.
»Paß auf, Fünfte Nichte«, sagte er.
»Ja, o ja, Sechster Onkel. Kann ich bis zum Revier mitkommen?« fragte das kleine Mädchen munter.
»Nur bis zu der Frau mit den Süßigkeiten. Paß auf, dort liegt eine Glasscherbe!«
»Wird der ehrenwerte Großvater sterben?«
»Wann ein Mensch stirbt, entscheiden die Götter, nicht wir. Darum sollten wir uns auch keine Sorgen machen, heya ?«
»Ja, ja«, pflichtete sie ihm wichtigtuerisch bei. »Ja, Götter sind Götter.«
Mögen alle Götter den ehrenwerten Großvater umsorgen und ihm seine letzte Lebensspanne versüßen, betete er, fügte aber dann, um sicherzugehen, hinzu: »Heilige Mutter Gottes, Maria und Josef, steht dem alten Großvater bei!« Wer weiß denn, ob es den christlichen Gott gibt und ob die richtigen Götter wirklich existieren? Vielleicht werden sie helfen. Vielleicht schlafen sie gerade, oder sie sind zum Essen gegangen, aber keine Sorge, Gesetzen muß man gehorchen, und ich muß heute ganz besonders auf Draht sein.
Gestern abend war er mit Divisonal Sergeant Mok und der Schlange unterwegs gewesen. Es war das erste Mal, daß sie ihn bei einer ihrer Razzien mitgenommen hatten. Sie hatten drei Spielhöllen überprüft, fünf weitere jedoch seltsamerweise ungeschoren gelassen, obwohl sie sich im selben Stockwerk desselben Mietshauses befanden.
Dew neh loh moh, ich wünschte, ich könnte auch Beiträge kassieren, und dann: Weiche, Satan! Ich möchte viel lieber zum Special Intelligence
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