Hongkong 02 - Noble House Hongkong
»Quillan?«
»Nein. Aber ich muß Ihnen offen sagen, dieser Kerl hat keine Manieren. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er eine Bereicherung für den Jockey-Club wäre. Entschuldigen Sie mich jetzt, bitte!« Er nickte höflich und entfernte sich. Casey sah, wie Dunross’ Blick auf dem Bündel Banknoten haften blieb, das Gornt jetzt in die Tasche steckte. Der Ausdruck auf Dunross’ Gesicht erschreckte sie.
»Könnte … könnte Biltzmann die Wahrheit gesprochen haben?« Casey wurde nervös.
»Natürlich.« Dunross wandte ihr seine volle Aufmerksamkeit zu. »Schiebungen gibt es auf allen Rennplätzen. Aber um das geht es gar nicht. Es hat keiner der Stewards, Jockeys oder Trainer irgendwelche Einwände erhoben.« Die kleine Ader an seiner Stirn pulsierte. Nein, dachte er, es geht um etwas anderes. Es geht um Manieren.
Trotzdem, ermahnte er sich, beruhige dich! An diesem Wochenende mußt du sehr kühl, sehr ruhig und sehr beherrscht auftreten.
Den ganzen Tag hatte es nur Unannehmlichkeiten gegeben. Riko Anjin-Gresserhoff war der einzige Lichtblick. Doch dann hatte AMGs letzter Brief, der immer noch in seiner Tasche steckte, seine Laune wieder verdüstert. Wenn er, so schrieb AMG, die Original-Berichte durch Zufall noch nicht vernichtet hatte, sollte er etwa ein Dutzend besonders angeführter Seiten erwärmen und die mit unsichtbarer Tinte geschriebenen Geheiminformationen persönlich dem Premierminister oder dem gegenwärtigen Leiter der MI-6, Edward Sinders, übermitteln – mit einer Kopie in einem versiegelten Umschlag für Riko Anjin.
Wenn ich das tue, muß ich zugeben, daß die Akten, die ich ihm gegeben habe, falsch waren, dachte er. Er hatte die Nase voll von Spionage, AMG und seinen Anweisungen. Himmel Herrgott, Murdagh kommt und kommt nicht, Sir Geoffrey kann erst um vier anrufen, und da erdreistet sich jetzt so ein Kerl, uns Amateure zu nennen – die wir ja auch sind. Ich wette jeden Betrag, Gornt wußte, wer gewinnt.
»Wie haben Sie eigentlich den Sieger herausgepickt, Casey?« Dunross folgte einer plötzlichen Eingebung.
»Marlowe hat mir den Tip gegeben, Peter Marlowe.« Ihr Gesicht veränderte sich.
»Ach! Meinen Sie, er hatte von einer Schiebung erfahren?«
»Wenn ich das auch nur einen Augenblick glaubte, wäre das Rennen annulliert worden. Ich kann jetzt nichts mehr tun. Biltzmann …« Ihm stockte der Atem, als ihn die Idee plötzlich in ihrer ganzen Bedeutung überfiel.
»Ja?«
Dunross nahm sie am Arm, zog sie zur Seite und fragte leise: »Sind Sie bereit zu hasardieren, um zu Ihrem Startgeld zu kommen?«
»Na klar, Ian, wenn es legal ist! Aber was muß ich dabei aufs Spiel setzen?« Casey blieb vorsichtig.
»Alles, was Sie auf der Bank haben, Ihr Haus in Laurel Canyon, Ihre Par-Con-Aktien – gegen zwei bis vier Millionen innerhalb von dreißig Tagen. Was sagen Sie dazu?«
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, aber seine offensichtliche Begeisterung riß sie fort. »Okay«, stieß sie hervor und wünschte im nächsten Augenblick, geschwiegen zu haben.
»Gut. Warten Sie auf mich! Ich hole nur Bartlett.«
»Moment! Welche Rolle spielt er dabei? Was haben Sie vor, Ian? Ich habe Ihnen gesagt, daß ich außerhalb von Par-Con zu dem … zu dem Geld kommen wollte.«
»Ich habe es nicht vergessen. Ich bin gleich wieder da.« Dunross eilte in seine Loge zurück, holte Bartlett und führte die beiden Amerikaner dann den belebten Gang hinunter in die Struan’sche Küche. Die Küche war klein und blitzsauber. Das Personal nahm keine Notiz von ihnen. Eine Tür führte in einen völlig schalldicht gemachten, privaten kleinen Nebenraum. Vier Stühle, ein Tisch, ein Telefon. »Mein Vater hat das seinerzeit hier bauen lassen – bei den Rennen werden oft große Geschäfte abgeschlossen. Bitte nehmen Sie Platz! Und jetzt« – er fixierte Bartlett – »mache ich Ihnen einen geschäftlichen Vorschlag, Ihnen und Casey, als Einzelpersonen außerhalb des Par-Con-Deals. Sind Sie interessiert?«
»Natürlich. Handelt es sich um eine Hongkonger Gaunerei?«
»Ich verstehe nicht ganz?« Dunross grinste. »Es handelt sich um einen höchst ehrenwerten Hongkonger geschäftlichen Vorschlag.«
»Okay, raus damit!«
»Bevor ich damit herausrücke, müssen Sie sich gewisse Grundregeln einprägen: Es ist mein Spiel, Sie beide sind Zuschauer, aber sie partizipieren mit 49 Prozent am Gewinn, den Sie sich fünfzig zu fünfzig teilen. Okay?«
»Wie schaut der Spielplan als ganzer aus?«
»Nächster
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