Hongkong 02 - Noble House Hongkong
offenbar mehr Glück als Sie.«
»Wir sind beide am Leben geblieben, wir sind beide noch heil – mehr oder weniger.«
»Mehr oder weniger, Mr. Marlowe. Ich stimme Ihnen zu. Der Krieg ist eine Lebensweise sui generis.« Toda paffte seine Zigarette. »Wenn es Ihnen angenehm und nicht zu schmerzlich für Sie wäre, möchte ich gern einmal mit Ihnen über Changi sprechen, über Ihre Erfahrungen und unseren Krieg.«
»Gern.«
»Ich bin nur ein paar Tage da«, sagte Toda. »Nächste Woche komme ich zurück. Ich wohne im Mandarin. Lunch vielleicht, oder Dinner?«
»Vielen Dank! Ich rufe Sie an. Wenn nicht diesmal, vielleicht das nächste Mal. Ich werde auch in Tokio sein.«
Nach einer Pause sagte der Japaner: »Wenn Sie es wünschen, brauchen Sie auch nicht über Changi zu sprechen. Ich möchte Sie gern näher kennenlernen. England und Japan haben vieles gemeinsam. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich möchte auf ein Pferd setzen.« Er verbeugte sich höflich und ging.
»Ist es Ihnen sehr schwer gefallen, höflich zu bleiben?«
»Aber nein, überhaupt nicht! Jetzt sind wir gleich, er und ich und alle Japaner. Die Japaner – und Koreaner –, die ich haßte, das waren die, die Bajonette und Kugeln hatten, während ich machtlos war.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich war nur nicht darauf gefaßt, hier einem Japaner zu begegnen.«
»Eigentlich wundere ich mich, daß Sie nach diesen furchtbaren Jahren als Kriegsgefangener überhaupt noch mit einem Japaner sprechen. Mir hat das Buch wirklich gut gefallen. Ist das nicht wunderbar, daß er es auch gelesen hat?«
»Ja. Das hat mich richtig umgeworfen.«
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Bitte.«
»Changi, schreiben Sie in Ihrem Buch, sei eine Genese gewesen. Wie meinen Sie das?«
Er seufzte. »Changi hat alles verändert. Werte für immer umgewandelt. Zum Beispiel: Es hat uns abgestumpft gegenüber dem Tod – wir sahen zuviel davon, als daß er für uns noch die gleiche Bedeutung haben könnte wie für andere, für normale Menschen. Wir, die wenigen, die es überlebten, sind zu einer Generation von Dinosauriern geworden. Es ist wohl so, daß jeder, der einen Krieg übersteht, das Leben mit anderen Augen sieht.«
»Wie sehen Sie es heute?«
»Als einen Haufen Kokolores, den man als das Drum und Dran unseres Daseins anbetet. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel von unserem normalem, zivilisiertem Leben reiner Quatsch ist. Wir, die wir Changi überlebt haben, wir können uns glücklich preisen, wir wissen Bescheid um das Leben. Was Ihnen Angst macht, erschreckt mich nicht, was mir Angst macht – darüber könnten Sie nur lachen.«
»Was zum Beispiel?«
Er lachte. »Das ist genug von mir und meinem Karma. Ich habe einen heißen Tip für das …« Er brach ab. »Du lieber Himmel, wer ist denn das?«
»Riko Gresserhoff. Sie ist Japanerin.«
»Wo ist Mr. Gresserhoff?«
»Sie ist Witwe.«
»Mann, o Mann!« Riko Gresserhoff ging auf die Terrasse hinaus. Sie sahen ihr nach.
»Daß Sie sich nicht unterstehen, Peter!«
»Ich bin Schriftsteller! Ich stelle Nachforschungen an«, erklärte er großspurig.
»Schwindel!«
»Sie haben völlig recht.«
»Es heißt, daß Erstlingswerke eines Schriftstellers immer einen autobiographischen Hintergrund haben. Wer sind Sie in Ihrem Buch?«
»Natürlich der Held! Aber jetzt haben wir genug von meiner Vergangenheit gesprochen. Wie steht es denn mit Ihnen? Einem Gerücht zufolge waren Sie gestern abend in Tränen aufgelöst.«
»Unsinn.«
»Wirklich?«
»Aber sicher. Mir geht’s gut.« Ein leichtes Zögern. »Irgendeinmal werde ich Sie vielleicht um eine Gefälligkeit bitten.«
»Oh?« Er legte die Stirn in Falten. »Ich bin in McBrides Loge, der zweiten von hier. Wenn Sie den Wunsch verspüren sollten, mich zu besuchen – es ist nichts dagegen einzuwenden.« Sein Blick wanderte zu Riko Gresserhoff hinüber. Seine Heiterkeit erlosch. Sie plauderte mit Robin Grey und Julian Broadhurst. »Heute ist wohl nicht mein Glückstag«, murmelte er. »Ich komme später noch mal vorbei. Jetzt muß ich zum Wettschalter. Wiedersehen, Casey!«
»Was ist das für ein heißer Tip?«
»Nummer sieben, Winner’s Delight.«
Winner’s Delight, ein Außenseiter, gewann das Rennen klar mit einer halben Länge Vorsprung vor dem Favoriten Exzellent Day. Überaus zufrieden, Gewinnscheine in der Hand, stellte sich Casey in die Reihe vor dem Schalter, wo die Gewinne ausgezahlt wurden. Schon
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