Honig
unbeschwerter. Luftiger. Jemand, für den sich die Zeitungen interessieren werden.«
Nutting fuhr fort. »Da Sie so was mögen, dachten wir, Sie wollen vielleicht mitmachen. Was uns nicht interessiert, ist modischer Pessimismus, der Niedergang des Westens, Fortschrittsskepsis und so weiter. Verstehen Sie, was ich meine?«
Ich nickte. Ja, ich dachte schon.
»Ihre Aufgabe wird besonders knifflig sein. Sie wissen so gut wie ich, es ist nicht einfach, die Ansichten eines Autors aus seinen Romanen abzuleiten. Also brauchen wir einen Schriftsteller, der auch journalistisch tätig ist. Wir suchen jemanden, der auch mal an seine bedrängten Brüder im Ostblock denkt, der vielleicht dort hinreist und seine Hilfe anbietet oder Bücher hinschickt, der Petitionen für verfolgte Schriftsteller unterschreibt, sich mit seinen verlogenen marxistischen Kollegen hier anlegt, keine Angst hat, öffentlich anzuprangern, dass Castro in Kuba Schriftsteller ins Gefängnis steckt. Kurz, einen, der gegen den orthodoxen Strom schwimmt. Dazu braucht es Mut, Miss Frome.«
»Ja, Sir. Ich meine, ja.«
»Besonders wenn man jung ist.«
»Ja.«
»Freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie – nicht gerade en vogue bei den Intellektuellen heutzutage.«
»Nein.«
»Wir müssen den richtigen Leuten Mut machen.«
»Ja.«
[137] Schweigen senkte sich über den Raum. Tapp bot zuerst mir eine Zigarette aus seinem Kästchen an, dann den anderen. Wir alle rauchten und warteten auf Nutting. Ich spürte Max’ Blick auf mir ruhen. Als ich ihm in die Augen sah, neigte er kaum merklich den Kopf, als wollte er sagen: »Weiter so.«
Nutting stemmte sich umständlich aus seinem Sessel, ging zu Tapps Schreibtisch und griff nach den Notizen. Er blätterte eine Weile darin herum, bis er fündig wurde.
»Wir suchen Leute aus Ihrer Generation. Die sind auf alle Fälle kostengünstiger. Mit dem Stipendium, das wir ihnen durch unsere Tarnorganisation zukommen lassen, können sie ein, zwei Jahre lang, vielleicht drei, ohne Brotjob auskommen. Wir dürfen nichts überstürzen, das ist uns bewusst, wir rechnen nicht schon nächste Woche mit Ergebnissen. Wir denken an insgesamt zehn Zielpersonen, aber Sie brauchen sich nur um diese eine zu kümmern. Und da ist ein Vorschlag, der…«
Er spähte durch die Lesebrille, die an einer Schnur um seinen Hals hing.
»Sein Name ist Thomas Haley, oder T. H. Haley, wie er gerne zeichnet. Englisch-Abschluss an der Universität Sussex, mit Bestnote, ist dort geblieben, hat unter Peter Calvocoressi einen Master in Internationalen Beziehungen gemacht und schreibt jetzt an einer literaturwissenschaftlichen Doktorarbeit. Wir haben einen Blick in Haleys Krankengeschichte geworfen. Da steht nicht viel drin. Er hat ein paar Kurzgeschichten und Artikel veröffentlicht. Er sucht einen Verlag. Aber er braucht auch einen anständigen Job, wenn er mit der Uni fertig ist. Calvocoressi hält große [138] Stücke auf ihn – was will man mehr. Benjamin hier hat eine Akte zusammengestellt, wir möchten wissen, was Sie davon halten. Ist Ihr Eindruck positiv, dann steigen Sie in den Zug nach Brighton und schauen sich den Mann mal an. Wenn Sie grünes Licht geben, nehmen wir ihn. Wenn nicht, sehen wir uns anderswo um. Wir verlassen uns auf Sie. Selbstverständlich werden Sie Ihren Besuch vorher brieflich ankündigen.«
Alle sahen mich an. Tapp, beide Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, hatte nun ebenfalls einen Fingerkirchturm errichtet. In dieser Stellung schlug er jetzt lautlos die Fingerspitzen aneinander.
Ich fühlte mich zu irgendeinem klugen Einwand verpflichtet. »Werde ich ihm nicht wie der sprichwörtliche Mr. X vorkommen, der plötzlich mit einem Scheckheft auftaucht? Womöglich sucht er gleich das Weite, wenn er mich sieht.«
»Wenn er Sie sieht? Das möchte ich bezweifeln, meine Liebe.«
Wieder allseitiges Kichern. Ich wurde rot und ärgerte mich. Nutting lächelte mir zu, und ich zwang mich zurückzulächeln.
Er sagte: »Es geht um attraktive Beträge. Wir schleusen das Geld über eine Strohfirma, eine bestehende Stiftung. Nicht besonders groß oder bekannt, aber wir haben dort zuverlässige Kontakte. Sollte Haley oder einer seiner Kollegen Nachforschungen anstellen, wird das Ergebnis recht überzeugend sein. Sobald die Sache eingefädelt ist, erfahren Sie den Namen der Stiftung. Sie werden natürlich als deren Vertreterin auftreten. Die sagen uns Bescheid, wenn Briefe [139] für Sie
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