Honig
eintreffen. Und wir besorgen Ihnen das entsprechende Briefpapier.«
»Könnte man denn nicht einfach ein paar freundliche Empfehlungen schicken an die, wie sagt man, an die Behörde, die Subventionen an Künstler verteilt?«
»Den Arts Council?« Nutting gab pantomimisch ein bitteres Lachen zum Besten. Alle anderen grinsten. »Meine Liebe. Ich beneide Sie um Ihre Unschuld. Aber Sie haben recht. Das sollte doch möglich sein! Die Sparte Literatur wird von einem Romanautor geleitet, Angus Wilson. Kennen Sie den? Auf dem Papier genau der Typ Mann, mit dem wir zusammenarbeiten könnten. Mitglied des Athenaeum Clubs, im Krieg Marineattaché, mit geheimen Aufträgen für die Dechiffriersektion im, aber, na ja, das darf ich Ihnen nicht sagen. Ich habe ihn zum Mittagessen eingeladen, dann eine Woche später in seinem Büro besucht. Fing gerade an, ihm zu erklären, was ich brauche. Und stellen Sie sich vor, Miss Frome, er hat mich praktisch zum Fenster hinausgeworfen.«
Er hatte die Geschichte schon oft erzählt und erzählte sie, mit Ausschmückungen, immer wieder mit Gusto.
»Eben noch saß er hinter seinem Schreibtisch, hübscher weißer Leinenanzug, lavendelfarbene Fliege, geistreiche Scherze, und plötzlich läuft er puterrot an, packt mich am Revers und schiebt mich aus seinem Büro. Seine Worte kann ich in Gegenwart einer Dame nicht wiederholen. Und tuntig wie ein Friseur. Weiß der Himmel, was die sich zweiundvierzig gedacht haben, ihn an Marinecodes ranzulassen.«
»Da haben wir’s«, sagte Tapp. »Wenn wir so was [140] machen, ist es schmutzige Propaganda, und wenn der Chor der Roten Armee auftritt, ist die Albert Hall ausverkauft.«
»Max hier hätte es natürlich gern gesehen, wenn Wilson mich tatsächlich aus dem Fenster geworfen hätte«, sagte Nutting und zwinkerte mir zu meiner Überraschung zu. »Stimmt’s, Max?«
»Ich habe meine Meinung geäußert«, erwiderte Max. »Aber jetzt bin ich mit an Bord.«
»Gut.« Nutting nickte Benjamin zu, dem jungen Mann, der mich hineingebeten hatte. Der schlug die Mappe auf seinem Schoß auf.
»Das ist ziemlich sicher alles, was er je veröffentlicht hat. Manches davon war nicht einfach aufzuspüren. Ich empfehle Ihnen, sich zuerst die journalistischen Sachen anzusehen. Ich möchte Sie besonders auf einen Artikel für den Listener hinweisen, in dem er die Glorifizierung von Verbrechern in den Zeitungen kritisiert. Hauptsächlich geht es um den Großen Postzugraub – er stößt sich an dem Beiwort »groß« –, aber da ist auch ein ordentlicher Seitenhieb auf Burgess und Maclean, und all die Todesopfer, die ihr Verrat nach sich gezogen hat. Wie Sie sehen werden, ist er Mitglied der Stiftung Readers and Writers Educational Trust, die Dissidenten in Osteuropa unterstützt. Letztes Jahr hat er einen Text für deren Zeitschrift geschrieben. Sie sollten sich auch den längeren Artikel über den ostdeutschen Aufstand von 1953 ansehen, der in History Today erschienen ist. In Encounter war was ziemlich Gutes von ihm drin über die Berliner Mauer. Seine journalistischen Sachen sind durchweg in Ordnung. Aber anschreiben werden Sie ihn wegen seiner Kurzgeschichten, die liegen ihm am [141] Herzen. Insgesamt fünf, wie Peter bereits sagte. Eine in Encounter, und dann in Zeitschriften, die kein Mensch kennt – Paris Review, New American Review, Kenyon Review und Transatlantic Review. «
»Genial, was diese kreativen Typen sich für Titel einfallen lassen«, sagte Tapp.
»Man beachte, dass die vier Letzteren in den Vereinigten Staaten herauskommen«, fuhr Benjamin fort. »Der Mann ist eingefleischter Atlantiker. Wir haben uns umgehört, man hält ihn für vielversprechend. Obwohl ein Insider uns sagte, das sei die Standardbezeichnung für jeden jungen Schriftsteller. Bei Penguin gibt es eine Anthologien-Reihe, da wurden seine Kurzgeschichten dreimal abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurde er vom New Yorker, vom London Magazine und von Esquire .«
Tapp sagte: »Nur so aus Interesse: Wie sind Sie an all die Informationen gekommen?«
»Das ist eine lange Geschichte. Zunächst habe ich einen ehemaligen…«
»Fahren Sie fort«, sagte Nutting. »Ich werde um halb zwölf oben erwartet. Und übrigens. Calvocoressi hat einem Freund erzählt, Haley sei eine angenehme Erscheinung, auch anständig gekleidet und so. Also ein gutes Vorbild für die Jugend. Entschuldigen Sie, Benjamin. Nur zu.«
»Ein renommierter Verlag findet die Kurzgeschichten gut, will sie aber erst
Weitere Kostenlose Bücher