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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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die Steine glatt und tückisch. Nun sagte er:
    »Eigentlich muss man auch Max den Wirt zu den Stammtischbrüdern rechnen.« Er schmunzelte. »Max bringt jeden Tag mit Abstand die größte Zeche zusammen, hat Heide gestern gewitzelt.« Dann wurde er wieder ernst. »Ich fürchte allerdings, Max trinkt, um die Schmerzen in seinen Beinen zu betäuben.«
    »Eine wenig empfehlenswerte Therapie«, warf Fanni ein. »Was ist denn mit seinen Beinen?«
    »Max scheint an einer Arthrose der Kniegelenke zu leiden«, antwortete Sprudel. »Das jedenfalls habe ich mir aus Rudis Bemerkungen zusammengereimt. ›Eine Halbe für mich, Heide, und für den Max zwei neue Knie‹, und so weiter.«
    Fanni zog eine Grimasse, Hans Rot hätte sich mit Bergwacht-Rudi gut verstanden.
    »Am Hüttenstammtisch gibt es neun Sitzplätze«, fuhr Sprudel mit seiner Schilderung der Stammtischrunde fort. »Der Doc, Rudi, Sepp, Max und Docs Frau – wenn sie dabei ist – sitzen immer auf ihren gewohnten Stühlen. Die restlichen vier Plätze auf der Bank und einem weiteren Stuhl werden ganz unterschiedlich belegt: Nationalparkranger kommen und gehen, manchmal taucht ein Zollbeamter auf, Verwandte vom Wirt schneien herein. Wer für würdig befunden wird, darf an den Stammtisch. Ich durfte mich gestern auch dort niederlassen.«
    »Gratuliere«, feixte Fanni.
    Sie brachten das Teufelsloch hinter sich und strebten auf Waldhäuser zu.
    »Kam gestern auch der Streit zwischen Annabel und Severin noch mal zur Sprache?«, fragte Fanni, als sie auf die geteerte Straße einbogen.
    »Am Rande«, erwiderte Sprudel. »Heide hat erzählt, Annabel hätte ihr am Sonntagmorgen beim Serviettenfalten zugeflüstert, sie wäre fertig mit Severin Ruckerbauer, weil er ein Schwein sei. Ein perverses, widerwärtiges Schwein.«
    »Ja, aber …«, stotterte Fanni.
    Sprudel winkte ab. »Willst du die Meinung von Rudi und Sepp dazu hören?«
    Fanni nickte.
    »Ich zitiere«, begann Sprudel. »Dass sie immer gleich so übertreiben müssen, die Weiber. Was kann er denn schon gemacht haben, der Severin? Der Heide in den Ausschnitt gelinst? Dafür ist der ja da, gell, Heide.«
    Fanni seufzte. »Ich fürchte, Sprudel, je mehr man dem Gerede der Leute zuhört, desto mehr Widersprüche und Ungereimtheiten ergeben sich. Bis eben dachte ich, Severin hätte aus Eifersucht mit Annabel gestritten und ihr Vorwürfe gemacht. Jetzt aber klingt es plötzlich so, als sei alles irgendwie umgekehrt gewesen.«
    Sprudel legte ihr die Hand auf den Arm. »Genau das ist die Herausforderung für den Ermittler. An ihm liegt es, die Wahrheit dazwischen herauszufinden.«
    Sie bogen um die Kurve, hinter der Sprudels Wagen geparkt war.
    »Vielleicht«, sagte Fanni, »ist Annabels Tod durch Severins Aussage mittlerweile aufgeklärt. Warum sollte die Lösung nicht mal ganz einfach sein?«
    Wegen Murphy!
    Murphy?
    Edward Murphy! Wie lautet sein Gesetz noch: Alles, was schieflaufen kann, läuft schief – oder so ähnlich.
    »Vielleicht hat Severin inzwischen zugegeben, dass es am Sonntagmittag einen fürchterlichen Streit zwischen ihm und Annabel gab«, fuhr Fanni fort. »Einen Streit, der in Handgreiflichkeiten ausartete und bei dem Annabel so unglücklich fiel, dass …«
    Sie hielt inne. »Wie kam der Gerichtsmediziner eigentlich zu der Gewissheit, dass Annabel auf eine Weise an den Stein gestoßen wurde, die ihr das Genick brach?«
    »Aufgrund der Spurenlage«, antwortete Sprudel. »Hämatome an den Oberarmen, wo sie der Täter gepackt hatte, Blutspuren auf dem Stein, die Wunde am Hals, die zu der Felskante passte, und noch ein gutes Dutzend winzige, ganz spezielle medizinische Details, die ich dir nicht aufzählen kann. Dazu hätte ich den Autopsiebericht auswendig lernen müssen.«
    Fanni brütete eine Weile vor sich hin. Plötzlich fragte sie: »Und bei Irina Svetla hat die Spurenlage einen Unfall dargestellt?«
    »Die nicht vorhandene Spurenlage«, entgegnete Sprudel. »Blut und Gewebespuren hatte der Höllbach bereits weggewaschen. Abwehrverletzungen fehlten bei Irina, sodass ein Kampf auszuschließen ist. Abschürfungen und Schrammen an der Leiche stammen von den Steinen und Ästen im Höllbach, sagt der Autopsiebericht; und er sagt auch, dass der Schlag gegen den Kopf, der Irina bewusstlos machte, von einem Sturz herrührt, nicht von einer Waffe. Bitte, Fanni, frag mich jetzt nicht, wie der Gerichtsmediziner das unterscheiden kann.«
    Sprudel schloss die Wagentür auf.
    Fanni warf einen Blick zurück auf

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