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Honigmilch

Honigmilch

Titel: Honigmilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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die Lusenhänge und sah, dass sie schon in der Dämmerung lagen. Plötzlich schnappte sie nach Luft.
    »Sprudel, gestern um acht Uhr abends muss es ja schon stockfinster gewesen sein. Wie …«
    »Der erfahrene Bergwanderer führt stets eine funktionsbereite Stirnlampe mit sich«, grinste er.
    »Du bist«, japste Fanni, »im Finstern mutterseelenallein im Schein eines Funzellämpchens eineinhalb Stunden lang über Stock und Stein von der Schutzhütte ins Tal abgestiegen? Was, wenn du gestürzt wärst, dich verlaufen hättest?«
    »Ich besitze eine sehr hochwertige Stirnlampe«, verteidigte sich Sprudel. »Und ich war nicht allein. Wir sind zu viert gewesen, Doc Haller, Rudi, Sepp und ich. Die drei kennen den Wald wie ihre Westentasche. Sie steigen oft nachts vom Falkenstein ab. Rudi und Sepp, weil sie an Werktagen morgens zur Arbeit müssen, der Doc, weil er seine Frau nachts nicht allein lassen will.«
    Sprudel parkte vor dem Zwiesler Gymnasium neben Fannis Auto. Fanni gab ihm einen Kuss auf die Nase, stieg aus und öffnete die Fahrertür ihres eigenen Wagens.
    Es war spät geworden. Ihr Mann würde längst zu Hause sein. Was sollte sie ihm sagen? Dass sie im Wald beim Pilzesammeln gewesen war? Hans Rot würde sich kaputtlachen, er würde sie tagelang damit aufziehen – aber er würde ihr glauben.
    Bevor sie ihn anflunkerte, überlegte Fanni, musste sie allerdings herauskriegen, ob er bereits mit Leni gesprochen hatte. Leni würde natürlich nichts von Sprudel verraten haben, aber Fanni musste wissen, was sie Hans Rot statt der Wahrheit aufgetischt hatte.
     
    Als Fanni zu Hause ankam, sagte Leni, er sei nur ganz kurz daheim erschienen, habe »Vereinsabend vom Kegelclub mit Ripperlessen« gerufen und sei wieder davongedüst.
    Fanni atmete auf.
    Sie nahm Plastikbox und Thermoskanne aus dem Rucksack, brachte beides in die Küche und sagte zu Leni: »Was weißt du über Syphilis?«
    »Hat dich Sprudel damit angesteckt?«, fragte Leni feixend.
    »Gör, Frechdachs, Satansbraten«, schimpfte Fanni. »Die Tote vom Höllbachgspreng hatte Lues, und mich würde interessieren, wie sie dazu kommen konnte.«
    »Na wie wohl?«, sagte Leni trocken.
    Fanni stach mit dem Zeigefinger in Lenis Backe. »Du weißt genau, was ich meine!«
    »Okay, okay«, ergab sich Leni. Sie öffnete die Kühlschranktür, starrte eine halbe Minute lang hinein und machte sie dann wieder zu.
    »Ich dachte, das Mädchen hatte Polio«, sagte sie plötzlich.
    »Wer?«, fragte Fanni zerstreut.
    »Na, die Tote vom Falkenstein«, erwiderte Leni.
    Fanni griff sich an die Stirn. »Ach, das weißt du ja noch gar nicht. Es gibt eine zweite Tote. Sie heißt Irina Svetla, bediente den Sommer über in der Waldhausalm, ist vor ein paar Tagen im Höllbach ertrunken und hatte Syphilis.«
    »Irina Svetla«, wiederholte Leni, »Irina Svetla. Den Namen habe ich doch neulich erst gehört.«
    »Wann? Wo?«, rief Fanni.
    Leni legte die Stirn in Falten. Nach einer Weile sagte sie:
    »Kleiner Deal, Mama, du kochst jetzt Nudeln, machst eine leckere Soße dazu, und ich sehe inzwischen nach, was ich über den Lues-Erreger finde. Ich bin nämlich bloß Leni Rot und nicht Wikipedia. Und vielleicht fällt mir inzwischen auch wieder ein, woher ich den Namen Irina Svetla kenne.«
    Sie hüpfte davon.
    Fanni setzte eiligst Wasser auf.
     
    Eine halbe Stunde später sagte Leni, während sie sich Krawattini auf den Teller häufte:
    »Jonas hat den Namen Irina Svetla erwähnt.«
    »Jonas Böckl?«, staunte Fanni.
    Leni nickte. »Wie gesagt, Jonas ist ein Schürzenjäger. Besonders in Tschechien hat er etliche Eisen im Feuer. Er verbringt ja schier jedes Wochenende dort. Beim Jagen …«
    Leni schwieg und kaute Nudeln. Nachdem sie geschluckt hatte, sagte sie:
    »Das Mädchen soll ertrunken sein?«
    »Ein Unfall, heißt es«, berichtete Fanni und fügte hinzu: »Was hat denn Jonas von Irina erzählt?«
    »Mir ist so«, antwortete Leni nachdenklich, »als hätte er verlauten lassen, dass er bei Irina nicht landen konnte.«
    »Das passt zu dem, was Irinas Bekannte von der Waldhausalm bei der Polizei ausgesagt haben. Irina soll gelebt haben wie eine Nonne«, erklärte Fanni.
    Leni lachte. »Also absolut nichts für Jonas.« Dann wurde sie ernst. »Wie kann man denn im Höllbach ertrinken?«
    »Laut Autopsiebericht ist sie einfach hineingestürzt«, antwortete Fanni.
    Leni sah von ihrem Teller auf und blickte Fanni an. »Von wo?«
    Fanni blickte zurück.
    »Du glaubst also nicht an einen

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