Honigmilch
ihm einen todsicheren Tipp dafür geliefert habe, wer für einen Heiratsantrag infrage kommt und wer nicht.«
In diesem Augenblick dämmerte Fanni, was Leni in den vergangenen zwei Wochen mit Jonas zu schaffen gehabt hatte.
»Er hat wohl ein paar Vaterschaftsprozesse an der Backe?«, fragte sie Leni.
Leni nickte. »Beinahe.« Sie wirkte einen Augenblick lang nachdenklich, dann fuhr sie fort: »Jonas Böckl ist kein übler Kerl, aber er kann nicht anders, als über die Stränge zu schlagen.«
»Beim Straßenfest letzten Sommer hat mir seine Mutter erzählt, dass Jonas als kleiner Bub einmal alle ihre Topfpflanzen mit Böckls Waffenöl gegossen hat«, sagte Fanni. »Das Alpenveilchen verfärbte sich dunkellila und ging innerhalb von zwei Stunden ein, die Kakteen sackten in sich zusammen wie perforierte Luftballons, die Yuccapalme hielt noch zwei Tage durch.«
Leni prustete. Dann sagte sie ernst: »Ich bin sicher, Jonas wollte die Pflanzen nicht umbringen. Was er gemacht hat, war –«
»Ein Experiment«, half Fanni aus.
Leni nickte. »Ja, er hat getestet, wie Pflanzen reagieren, wenn sie Waffenöl zu trinken bekommen. Aus demselben Grund hat er immer wieder durchexerziert, was passiert, wenn er Bene Klein hänselt. Er hat auch ausprobiert, wie sich eine Lehrerin verhält, wenn der Kartenständer zusammenbricht, weil er angesägt wurde, und so weiter. Damit hat sich Jonas den Ruf eines Schuftes eingehandelt – zu Unrecht.«
»Warum hat denn Jonas im Laufe der Jahre nicht gelernt, dass ihm seine Experimente nur Ärger einbringen?«, fragte Fanni.
Leni dachte eine Weile darüber nach, dann antwortete sie: »Jonas lernt durch seine Eskapaden. Das macht das Leben ein wenig kompliziert für ihn.«
Plausibel, dachte Fanni, Leni ist eben ein kluger Kopf. »Und du hast ihm geholfen, es wieder zu vereinfachen?«, fragte sie.
»Ein bisschen«, sagte Leni. »Nach aussichtsreich vollendeter Pubertät«, fuhr sie fort, »hat Jonas – so scheint es – eine Menge Geschick darin entwickelt, hübsche junge Mädchen um den Finger zu wickeln. Besonders in Tschechien, wo er mit seinem Vater oft zur Jagd ist, konnte er massenhaft Erfolge verbuchen.«
»In unserem Nachbarland öffnet ein Eheversprechen halt noch Tür und Tor«, murmelte Fanni und fragte dann laut: »Wie viele von Jonas’ Liebchen wurden denn schwanger?«
»Drei«, antwortete Leni. »Eine hat allerdings abgetrieben.«
»Bleiben zwei«, sagte Fanni trocken, »eine zu viel.«
Leni nickte. »Jonas weiß natürlich schon lange, dass ich mich mit DNS-Analysen beschäftige.«
»Natürlich«, stimmte Fanni zu. »Was bleibt schon unentdeckt in Erlenweiler.«
Leni lachte. »Was lag also für Jonas näher, als sich an mich zu wenden und mich zu bitten, heimlich die nötigen Vaterschaftstests für ihn zu machen?«
Ja, was schon?
»Als Jonas vor gut zwei Wochen zu mir kam, hatten beide Frauen längst entbunden«, erzählte Leni. »Evas Sohn ist jetzt ein halbes Jahr alt. Mit Eva ist Jonas schon seit fünf Jahren zusammen. Er mag sie, sie mag ihn, und er wird sie vermutlich eines Tages heiraten. Allmählich wird er wohl auch damit aufhören, jedem verheißungsvollen Rock nachzustellen.«
»Aber leider hat er noch ein zweites Eisen im Feuer liegen – ein überzähliges«, sagte Fanni.
Leni nickte. »Jonas hat mir geschworen, dass er sich nicht um die Alimente drücken will. Aber er möchte Beweise. Mit – ich hab den Namen vergessen …«
»Eva II«, schlug Fanni vor.
»Mit Eva II«, nahm Leni den Faden wieder auf, »sei es nämlich so eine Sache, sagt Jonas. Sie hatte auch andere Liebhaber – sogar eine ganze Latte, wie sich Jonas ausdrückt. Auf einen Vaterschaftsprozess im Ausland will er es allerdings nicht ankommen lassen. Und deshalb wollte er von mir wissen, ob er der Vater von dem Kindchen ist oder nicht.«
»Und du hast mal kurz einen DNS-Abgleich für ihn gemacht«, stellte Fanni fest.
»Ich hab ihm den Gefallen getan«, sagte Leni, »warum auch nicht. Das Kind hat ein Recht darauf, zu erfahren, wessen Gene es prägen. Jonas’ Genpool scheidet aus. Wer es tatsächlich war, der sein Erbgut in Evas Sprössling gepflanzt hat, wird sich hoffentlich bald erweisen.«
Fanni nippte an ihrem Rotwein, schwieg, nippte wieder, und dann sagte sie leise: »Irina Svetla aus Bergreichenstein war auch schwanger.«
Leni sah irritiert auf. »Du meinst, von Jonas? Aber warum hätte er mich über Irina belügen sollen?«
»Nein«, beeilte sich Fanni zu erwidern.
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