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Honigsüßer Tod

Honigsüßer Tod

Titel: Honigsüßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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man damit üblicherweise?«, forschte Thomsen weiter
nach. Honig war ihm allein schon deshalb suspekt, weil ihn neben mehreren
anderen Allergien auch eine Fruchtzuckerunverträglichkeit plagte.
    Der schmächtige Mann antwortete zögerlich. »Damit löst man die
Rahmen heraus oder trennt die mit Bienenharz verklebten Zargen. Aber … aber
diesen Meißel werde ich nie mehr anfassen können …« Es schüttelte ihn. Dann ein
neuer Gedanke: »O Gott, die Präsentation!«
    »Welche Präsentation?«, fragte Thomsen.
    »Wir, also vor allem Mellitus, sollten in ein paar Tagen auf der
Landesgartenschau unseren Honig präsentieren. Und unsere Bienen. Und jetzt … ?«
    Thomsen war ganz froh, dass er seine Aufmerksamkeit auf den Zeugen
richten konnte. »Sie haben den Mann also genau so gefunden. Hat er noch gelebt,
als Sie in die Imkerhütte kamen?«
    »Nein … das heißt, ich weiß nicht. Ich bin sofort weggelaufen und habe
Lucidus informieren lassen.«
    »Wen?«
    »Lucidus. Den Erleuchteten.«
    Thomsen schaute den blassen Jüngling ratlos an. Diesmal lagen die
Kommunikationsprobleme nicht am Dialekt.
    »Der isch de’ Chef hier«, sagte Winterhalter. »Das Oberhaupt von
dieser … Gemeinschaft.«
    Thomsen blickte skeptisch drein. »Und welche Funktion hatte das
Opfer in Ihrer … Sekte, äh, Gemeinschaft?«
    »Mellitus war eines der wichtigsten ›Kinder‹. Er kam eigentlich
gleich nach Lucidus und Brindur. Außerdem stellte er als Imker diesen Honig
her. Dafür sind wir weithin bekannt: Weißtannenhonig, Wald- und Blütenhonig vom
Sonnenhof.«
    Der Mann schien sich etwas zu fangen. Das Reden tat ihm offenbar
ganz gut und löste seinen Schockzustand.
    »Was haben Sie auf dem Sonnenhof gemacht?«, setzte Thomsen die
Befragung fort.
    »Ich bin seit drei Jahren Mellitus’ Assistent. Ich sollte eines
Tages sein Erbe als Imker antreten. So hat es der Erleuchtete bestimmt. Aber
ich weiß noch viel zu wenig über das Geheimnis des Honigs.«
    »Wie war Ihr Verhältnis zueinander?«
    Jetzt schien der Mann wieder verunsichert. »Wir waren wie Vater und
Sohn. Ich habe damit nichts zu tun … Wir alle nicht! Wir sind eine Gemeinschaft
der Liebenden und der Harmonie. Wir tun keiner Fliege etwas zuleide.« Die hohe
Stimme des jungen Manns überschlug sich.
    »Und schon gar keiner Biene«, meldete sich Winterhalter.
    »Schon gut«, sagte Thomsen und beobachtete Sanus aufmerksam.
    »Wo waren Sie, bevor Sie die Leiche gefunden haben?«
    »Ich war in unserem Hofladen, habe die Honigbestände wieder aufgefüllt
und Gläser beschriftet.«
    »Gibt es dafür Zeugen?«
    »Zeugen? Nein, ich war allein.« Der junge Mann schaute betreten.
    »Und was wollten Sie im Imkerhäuschen?«
    »Ich wollte Mellitus zur abendlichen Anbetung abholen und schauen,
ob er bereits Weißtannenhonig geerntet hat.«
    Thomsen schaute wieder ratlos. Anbetung?
    »Wir beten die Sonne an, bevor sie sich hinter den Baumwipfeln
verabschiedet. Anschließend essen wir alle gemeinsam.«
    »Assist., Vater-Sohn-Verh., Tod vor Anbetung Sonne«, notierte
Thomsen in seinem Notizbuch.
    »Um wie viel Uhr war das?«
    »Um halb acht.«
    »Und wer hat die Polizei und den Notarzt alarmiert?«
    »Ich nicht«, sagte der junge Mann. »Sicher hat der Erleuchtete das
veranlasst.«
    Der Hauptkommissar nickte nachdenklich. »Sie können jetzt gehen.
Aber bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung.«
    Thomsens Blick streifte noch einmal kurz die Leiche. Zwar liebte er
seinen Beruf, war geradezu süchtig danach, Verbrechen aufzuklären. Und je
komplizierter der Fall, umso mehr lief er zu Hochform auf. Logische Zusammenhänge
entdecken, Fehler in den Aussagen erkennen, Rätsel entschlüsseln, die sich auf
den ersten Blick nicht lösen ließen – das war seine Welt. Stundenlang konnte er
sich einschließen, um Ermittlungsberichte zu studieren. Vorausgesetzt, diese
waren nicht schmutzig. Doch an eines konnte er sich auch nach mehr als 20 Dienstjahren einfach nicht gewöhnen: diese Leichen!
    Wieso war er damals überhaupt zur Mordkommission gegangen? Er kramte
in seinem Gedächtnis und kam zu dem Schluss, dass die Phobien erst im Laufe der
Jahre so ausgeufert waren. Die Übelkeit war dabei nicht einmal das Schlimmste.
    Nach den Begegnungen mit Toten artete nämlich sein Waschzwang aus.
Statt der sonst einstündigen Dusche konnte es in solchen Fällen drei, vier
Stunden dauern.
    Angesichts des toten Imkers war klar: die Dusche vor einigen Stunden
war komplett überflüssig gewesen. Der

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