Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Honigsüßer Tod

Honigsüßer Tod

Titel: Honigsüßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
Vom Netzwerk:
Leben
so klar und konsequent zu sein versuchen wie die Sonne. Ein Beispiel: Wir
wehren uns dagegen, dass hier in der Nähe ein Mobilfunkmast gebaut wird. Völlig
friedlich, versteht sich. Wir sind nämlich unter anderem hierhergezogen, weil
dieses so ursprüngliche Fleckchen Erde in einem Funkloch liegt. Stellen Sie sich
vor …«
    »Schon klar. Wenn es hier Handy-Empfang gäbe, hätten Ihre Mitglieder
natürlich auch mehr Freiheiten und Sie weniger Kontrolle«, wurde Winterhalter
wieder angriffslustiger.
    Lucidus blieb mild gestimmt. »Unsere Brüder und Schwestern genießen
die höchste Freiheit, die es gibt: sie wissen sich von der Göttlichkeit der
Sonne beschützt.«
    Winterhalters übermüdete Augen blitzten aggressiv.
    »Was das Funkloch betrifft: diese neumodischen, aus kommerziellen
Gründen erzeugten Strahlen machen krank«, dozierte Lucidus. »Denken Sie an
Radioaktivität, denken Sie an Krebs. Wir sind es dem Schöpfergeist und uns
selbst schuldig, dass wir im Einklang mit uns und der Natur leben …«
    »Und natürlich sind Sie auch Vegetarier«, mutmaßte Winterhalter.
    Lucidus nickte. »Natürlich, Herr Kommissar.«
    Thomsen erinnerte sich an den Matjes vom Vorabend. Seine Leibspeise.
    »Aber nicht nur aus ethischen Gründen«, fuhr Lucidus mit seiner
samtenen Stimme fort. »Die meisten Tiere werden in den Mästereien so gequält,
dass ihr Adrenalinspiegel ansteigt. Wenn jemand Fleisch isst, nimmt er ein
Übermaß solchen Adrenalins zu sich. Deshalb haben Fleischfresser auch oft ein
so aggressives Wesen.«
    In Winterhalters Fall stimmte dies für den Moment ohne Zweifel. »Bei
mir wird überhaupt nix g’mäschtet. Und was des Fleischesse’ betrifft: de’
Hitler war auch en Vegetarier.«
    »Es reicht, Winterhalter!«, rief Thomsen seinen Kollegen zur Ordnung
und räusperte sich dann. »Hatte der Ermordete noch Kontakt zu seiner Familie?«,
fragte er weiter.
    »Wir sind seine Familie«, sagte Lucidus und lächelte wieder. »Aus
seiner alten Welt gab es meines Wissens einen Vater, der ihn verstoßen hat, und
eine Mutter, die früh starb. Ob er Geschwister hatte, weiß ich nicht. Von
Kontakten ist mir nichts bekannt.« Diesmal schaute er Winterhalter
durchdringend an: »Das Leben bei den ›Kindern der Sonne‹ war seine Erfüllung.«
    Thomsen schrieb mit.
    »Ich sagte Ihnen vergangene Nacht schon, dass Mellitus auf seinem
spirituellen Weg bereits sehr weit vorangekommen war. Schon rein wirtschaftlich
gesehen ist sein Abschied ein Schlag für uns. Er war der Experte für den Honig – und er war ein Meister darin. Wir vermissen ihn sehr – in jeder Hinsicht,
auch wenn er immer bei uns bleiben wird.«
    Thomsen machte sich pflichtschuldig wieder ein paar Notizen. Aus der
linken Tasche zog er dann vorsichtig die in Klarsichthülle befindliche Karte
mit dem bärtigen Mann und dem Bienenstock: »Ist diese Karte hier aus dem Besitz
der ›Kinder der Sonne‹?«
    Lucidus sah sie sich genau an: »Nein. Zweifelsohne war der heilige
Ambrosius in gewisser Hinsicht ebenfalls ein Gesegneter. Alle Religionen haben
wunderbare Menschen, die erleuchtet wurden. Aber diese Karte stammt nicht aus
unseren Beständen.«
    »Kennen Sie diese Schrift?«, erkundigte sich Thomsen und drehte die
Karte um.
    Lucidus beugte sich noch weiter nach vorne und studierte die
krakeligen Worte. »Nein«, sagte er dann wieder. »Wo befand sich diese Karte?«
    »Am Tatort«, sagte Thomsen etwas unpräzise.
    »War Herr Mellitus gelernter Imker?«, fragte Winterhalter, der sich
nun wieder im Griff hatte. »Ausbildung zum Tierwirt, Fachrichtung Imkerei – oder was es da gibt?«
    »Er hatte schon einige Imkerlehrgänge belegt, bevor er zu uns kam«,
meinte Lucidus. »Noch wichtiger für den Erfolg waren aber seine Intuition und seine
Sensibilität im Umgang mit diesen wunderbaren Geschöpfen.«
    »Er hat also früher schon mit Bienen zu tun gehabt?«, insistierte
der Kriminaltechniker.
    »Hummel!«, entfuhr es Thomsen.
    Winterhalter schaute ihn fragend an. »Nein, Kollege – des waret
eindeutig Biene. Hummle sind kräftiger.«
    Zum ersten Mal an diesem Morgen strahlte Thomsen. »Nein,
Winterhalter, Sie sagten irgendetwas von Bienen. Und so kam ich auf Hummel – Elke Hummel! Das ist die Frau, die ich draußen im Park gesehen habe. Letztes
Jahr habe ich sie kennengelernt.«
    Thomsen war sehr erleichtert. Sein Gedächtnis hatte ihn doch nicht
im Stich gelassen, sondern lediglich etwas mehr Zeit benötigt. Aber was machte
die Frau dieses

Weitere Kostenlose Bücher