Honigsüßer Tod
in meinem Leben zu viel
gezweifelt. Jetzt kann ich Vertrauen beweisen. Ich kann warten.«
Winterhalter spürte die Versuchung, Elke Hummel das tatsächliche
Geschehen zu erzählen. Aber sie hatten dem Sektenchef schließlich zugesagt,
vorerst zu schweigen. Eine Frage konnte sich Winterhalter aber dennoch nicht
verkneifen: »Was sagt eigentlich Ihr Mann dazu, dass Sie jetzt hier sind?«
Die Antwort sprach Bände: »Es ist schmerzhaft, zu erkennen, dass man
wider Erwarten doch keine karmische Beziehung zu einem Menschen hatte.«
Winterhalter wandte sich wortlos an die nächste Sektenanhängerin.
Eine halbe Stunde später waren alle 25
weiblichen und 21 männlichen »Kinder der Sonne«
gespeichelt – inklusive Novizen und Sonnenkinder auf Zeit. Auch die Cellophantüte
mit den aufgeklebten Initialen sowie dem Geburtsjahr »1960«
für Lucidus alias Dieter Koberne befand sich in der Obhut der Beamten. Er hatte
seinen Speichel vorbildlich als einer der Ersten abgegeben.
Geschafft. Und gerade noch rechtzeitig. Denn die »Kinder der Sonne«
begaben sich zu ihrer mittäglichen Meditation, die Staatsdiener ins Rathaus der
kleinen Gemeinde, wohin vier der Dorfbewohner bestellt worden waren.
14. Bienen und Burgbacher
Die Schwenninger Steige war eine steile Erhebung, die
Hummel in seiner Jugend hassen gelernt hatte. Sie verband Villingen und
Schwenningen miteinander. Der jugendliche Hubertus hatte den Weg meist einmal
die Woche mit dem Rad in Richtung Schwenninger Eisstadion zurückgelegt, sofern
es die Witterungsverhältnisse zugelassen hatten. Vollkommen verschwitzt war er
dort oft angekommen. Nach dreieinhalbstündigem Stehen in der zugigen Eishalle,
unablässigen Anfeuerungsrufen für seine blau-weißen Eishockey-Helden des
Schwenninger ERC und der anschließenden Rückfahrt
im Dunkeln war ihm in regelmäßigen Abständen eine Grippe sicher gewesen.
In dieser Beziehung drohte an diesem Morgen keine Gefahr – mal
abgesehen davon, dass Hummel schon seit mindestens 20 Jahren nicht mehr Rad fuhr. Es war draußen 24 Grad
warm, und er saß im Kadett seines Freundes Klaus Riesle.
»Also, wie war die Nacht?«, fragte dieser anzüglich, während er
bergauf mit Tempo 100 einen Golf überholte und
dicht vor diesem wieder einscherte. »Muss ja klasse gewesen sein, wenn du dafür
deinen ältesten Kumpel, deine Tochter und deine Frau versetzt …«
Hummel schwieg.
»Na komm schon. Wie ist sie so?«
Hubertus wurde nicht gesprächiger.
»Jetzt erzähl schon.« Riesle stieß ihn mit dem rechten Ellbogen an.
»Erzähl du mir lieber, warum wir nach Schwenningen fahren«, forderte
Hummel.
Als Riesle am Morgen den »Schwarzwälder Kurier« durchgeblättert
hatte, war ihm auf dem Terminplan einer Landesgartenschau-Sonderseite etwas ins
Auge gestochen. Im Rahmen der Aktion »Grünes Klassenzimmer« für Kinder und
Jugendliche gab es dort heute einen »Honig-Tag«. Unter dem Motto »Was Maja uns
Leckeres schenkt« würde ein »echter Imker vom Sonnenhof« die Herstellung von
Honig erklären.
Obwohl er gerade mal vier Stunden geschlafen hatte, war Riesle
plötzlich hellwach gewesen.
Imker vom Sonnenhof? Riesle hatte Hummel in der Vom-Stein-Straße
abgeholt, wo er nach einem harmonischen Frühstück bei Carolin nach dem Rechten
gesehen hatte. Viel zu sehen gab es indes nicht. Tochter und Enkel waren außer
Haus, und nicht einmal die Nachbarn zeigten sich.
»Also, wie lief’s mit der lieben Carolin? Sag schnell, dann habe ich
nämlich noch eine Neuigkeit für dich«, lockte Riesle.
»Es geht dich zwar nichts an, aber wir haben die halbe Nacht geredet
und uns lediglich immer wieder in den Arm genommen. Mehr war da nicht.«
Das stimmte. Es war Romantik pur gewesen, auch wenn Hummel
irgendwann der fürchterlichen Nacht zuvor in dem Gasthaus hatte Tribut zollen
müssen. Er war eingeschlafen. Doch selbst sein Schnarchen hatte Carolins
Gefühle für ihn offensichtlich nicht negativ beeinflusst.
»Tja, Pech«, konstatierte Riesle. »Aber so leicht gibt sich dir die
Dame eben nicht hin.«
»Wenn du’s genau wissen willst: ich wollte nicht«, antwortete
Hummel, hatte aber sofort das Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben.
»Ha!«, sagte Riesle, dessen Mimik sich zu einem widerwärtigen
Grinsen veränderte – und Hubertus hasste ihn augenblicklich dafür.
»Klar, du warst ja schon immer eher ein Softie«, fügte sein
vermeintlicher Freund hinzu.
Hummel sparte sich die Antwort. Hätte er Riesle vorhalten sollen,
dass er im
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