Honigsüßer Tod
ist doch nicht so wichtig, Hubertus«,
sagte Klaus-Dieter. »Wir sind gestern Abend mit dem Rad zu unseren Bekannten
gefahren. Das ist ja auch gesünder.«
Wahrscheinlich gab es einfach nichts, was die Nachbarn jemals aus
der Fassung bringen konnte.
»Ich bezahle natürlich die Kosten bei eurem Car-Sharing-Verein«,
murmelte Hummel und bat die beiden in den Flur. Hatte er das zuvor überhaupt
jemals getan?
»Schon gut, Hubertus«, sagte Regine, die interessiert auf den
Klebezettel des Gäste- WC s schaute. »Hast du etwas
von Elke gehört?«
Hubertus schüttelte den Kopf. »Ihr?«
Jetzt schüttelten die Pergel-Bülows ihre Köpfe, hatten aber gleich
eine positive Nachricht für ihn. »Wir sind sicher, dass alles in Ordnung ist.«
Allmählich war Hubertus’ Kopf wieder so klar, dass er sich
erinnerte, wer seine Frau eigentlich in diese Situation gebracht hatte. Damit
war das mit dem Auto abgegolten. Mindestens.
»Ich weiß, wo sie steckt. Und ich weiß auch, dass dort ein Mord passiert
ist!«
Auf zerknirschte Gesichter hatte er jetzt vergebens gehofft.
»Aber Hubertus: Mach dir keine Sorgen. Elke geht es gut. Wir spüren
das. Und dann ist ja auch noch Brindur bei ihr.«
Na dann.
»Und was, wenn sie jetzt eigentlich gar nicht mehr dort sein will?
Vielleicht wird sie gegen ihren Willen festgehalten?«
»Aber Hubertus«, schüttelte Klaus-Dieter mitleidig den Kopf. »Das
ist eine Gemeinschaft freier Individuen. Mach dir keine Sorgen um die liebe
Elke. Trotz dieses … Zwischenfalls.«
Ob der Weißtannenhonig des Sonnenhofs, den sie ihm zum Abschluss
überreichten, doch Ausdruck ihres schlechten Gewissens war? Er entschied sich
jedenfalls dafür, ihn nicht gegen die Wand zu werfen.
Der Nachmittag war toll gewesen. Hubertus und Carolin waren
gemeinsam durch die Villinger Innenstadt spaziert – und zum ersten Mal war es
ihm eigentlich egal gewesen, ob sie jemand zusammen sah. Den anschließenden
Kaffee tranken sie in Carolins Wohnung in Sankt Georgen. Hubertus hatte diese
ganze Sektengeschichte so satt. Seine Wut auf die Pergel-Bülows war in eine Wut
auf Elke übergegangen – und als er sich wieder beruhigt hatte, wollte er
eigentlich nur noch Abstand zu ihr gewinnen. Er und Carolin unterhielten sich
über alles Mögliche– und es war so schön unkompliziert. Über ganz Alltägliches.
Über die Lehrerkollegen, das Wetter, irgendwelche Urlaubsziele und sogar über
Sport. Selbst sein Heißhunger, der ihn in den letzten Tagen verfolgt hatte,
ließ nach. Das war vielleicht das sicherste Indiz dafür, dass er sich wohlfühlte.
Natürlich würde es angesichts der Situation nicht so völlig
belanglos bleiben können.
»Liebst du mich, Hubertus Hummel?«, hatte Carolin nach einer ganzen
Weile gefragt, und er hatte nach bestem Wissen und Gewissen »Ja, ich glaube
schon« sagen können. Elke war jetzt wesentlich weiter weg als die tatsächlichen
Kilometer bis zum Sonnenhof.
»Hast du eigentlich das Bild von Maximilian noch?«, fragte Carolin,
nachdem sie sich auf der Couch in der Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung über den
Dächern der kleinen »Bergstadt« geküsst hatten.
Hubertus nickte: »Natürlich«, sagte er und zog das Bildchen aus dem
Geldbeutel.
»So süß«, sagte sie nur und streichelte den Kleinen.
Dann wurde sie wieder ernst: »Bist du dir inzwischen wirklich
sicher, dass du über deine Ex-Frau hinweg bist?« Hubertus fiel zwar auf, wie
selbstverständlich sie das »Ex« betonte, aber er nickte. Es war die reine
Wahrheit – zumindest im Moment.
»Du«, flüsterte Carolin einige Umarmungen später und strich noch mal
über das Bild. »Ich könnte mir vorstellen, auch bald so einen zu haben.« Sie
zeigte auf Hubertus: »Von dir.«
Als es auf der Couch ans Eingemachte ging, musste Hummel dann aber
nach kurzer Zeit passen. Er fuhr sich wieder einmal über seine von den
Zärtlichkeiten verwuschelten Haare und steckte sein Hemd in die Hose. »Ich
fürchte«, sagte er, »ich kann nicht. Noch nicht«, fügte er hinzu.
Er umarmte Carolin, die stumm nickte.
Hubertus fühlte sich schlecht, als sie kurz darauf ins Badezimmer
schlich. Hoffentlich hatte sie begriffen, dass er das psychisch und nicht
physisch gemeint hatte. Aber vielleicht fand sie es sogar noch schlimmer, wenn
es psychische Gründe hatte.
Weinte sie jetzt? Dazu bestand doch wirklich kein Anlass. Sollte er
sie trösten? Hubertus blickte durch das große Fenster auf die Dächer von Sankt
Georgen.
Da Carolin immer noch nicht auftauchte, lief er
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