Honigsüßer Tod
Winterhalter sich die
Namen buchstabieren lassen, zumal er die Namensliste geschickterweise an der
Wand des SOKO -Raumes vergessen hatte. Eine
Heidenarbeit.
Wenn es eine Übereinstimmung mit der DNA am Tatort gab, konnte man sich immer noch auf die Suche nach den Ausweisen
machen, dachte sich Winterhalter. Hoffentlich beeilte sich das
Landeskriminalamt mit der Untersuchung der Tatort- DNA .
Dem LKA oblag nämlich die Aufgabe, die eingehenden
Fälle zu priorisieren. Morde erfuhren dabei ohnehin eine bevorzugte Behandlung.
Bei ihrem Fall spielten zudem das starke öffentliche Interesse und wohl auch
die guten Kontakte nach Stuttgart eine wichtige Rolle. Sie würden also in Kürze
wissen, ob es eine Übereinstimmung gab, zumal sich Blut und Speichel relativ
schnell untersuchen ließen – im Gegensatz zu Schweiß etwa.
»Wie heißet Sie?«
»Andromeda.«
»Buchstabiere’ Sie des bitte?«
Die Angesprochene tat, wie geheißen.
»Und de’ Vorname?«
»Das ist der Vorname.«
»Gut«, seufzte Winterhalter, »dann halt de’ Nachname.« Den Kühen auf
seinem Hof die Brandzeichen zu verpassen war im Vergleich dazu einfach.
»Ich habe keinen.«
Winterhalter stöhnte. »Ich mein Ihren bürgerliche’ Name’… Ihren
Taufname’.«
»Wir sollten uns duzen. Wir duzen uns alle«, sagte das bezaubernde
Wesen. Und: »Ich bin gar nicht getauft. Ich habe erst durch Lucidus zur
Spiritualität gefunden. Und ich bin so dankbar und voller Hoffnung …«
»Scho’ klar«, unterbrach Winterhalter, dem das Theater allmählich
reichte. »Noch einmal ganz langsam.« Er bemühte sich jetzt, überdeutlich
Hochdeutsch zu sprechen. »Wie lautete Ihr Name, ehe Sie hierhergekommen sind?«
»Barbara.«
»Ja. Und der Nach …«
»Gerstbauer.«
»Geburtsdatum?«
»5.3.1979.«
»Na also, Gott sei Dank«, stöhnte Winterhalter, schrieb den Namen
ohne nochmalige Nachfrage auf und wollte sich dann der nächsten Probandin
zuwenden.
»Äh, Herr Winterhalter«, kam jedoch einer der örtlichen Polizisten
aus der anderen Ecke des Raumes auf ihn zu. »Wir haben da einen Mann, der sich
weigert, seinen bürgerlichen Namen zu nennen. Er sagt, den habe er hinter sich
gelassen, als er ein ›Kind der Sonne‹ wurde.«
»Gott verdammi noch e’mol«, entfuhr es Winterhalter. »Mit BSE -Rinder’ wär’ des Heckmeck kleiner. Prüg’le Sie notfalls
de’ Name ’us dem Körnerfresser raus.«
Dann räusperte er sich verlegen. Der Kollege, der als Einziger
seinen Dialekt-Ausbruch verstanden hatte, machte sich wieder an die Arbeit.
Winterhalter setzte eine freundliche Miene auf und sprach wieder das
Amtsdeutsch: »So, jetzt wären Sie an der Reihe. Wir kennen uns, nicht wahr?«
Das galt der zierlichen Mittvierzigerin, die nun in schöner Mädchenschrift das
Belehrungsformblatt unterzeichnete. »Sie sind … ?«
»Fiducia«, sagte die Dame in der weißen Tunika.
»Jaaaa …«, sagte Winterhalter wie der Lehrer einer Erstklässlerin.
»Aber Sie sind doch …«
»Sie kennen mich unter dem Namen Elke Hummel«, sagte die Zierliche
schnell und hoffte, das Thema wäre damit beendet.
»Genau! Aber was mache’ Sie hier?«, fragte Winterhalter weiter.
»Ich suche nach spiritueller Erkenntnis. Und ich glaube, ich habe
sie hier gefunden«, sagte Fiducia.
»Ha, dann gratulier’ ich dazu«, meinte Winterhalter, der somit die
Hoffnung aufgegeben hatte, noch einen normalen Bewohner anzutreffen. Er hatte
Frau Hummel nur einmal kurz kennengelernt. Damals schien sie zumindest noch
etwas weltzugewandter gewesen zu sein.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich im Auftrag ihres Mannes auf
den Sonnenhof eingeschlichen hatte, war wohl eher gering. Schließlich – das hatte
er überprüft – war sie tatsächlich schon einige Tage vor dem Mord hier
angekommen. Hatte sie gar etwas mit dem Verbrechen zu tun? Das erschien ihm so
unwahrscheinlich wie die ganze Atmosphäre hier.
»Wir werden Ihnen eine DNA -Probe
abnehmen, wenn Sie einverstanden sind und keine datenschutzrechtlichen
Einschränkungen befürchten. Herr Lucidus hat …«
Sie nickte. »Der Erleuchtete hat uns berichtet.«
»Was genau?«
»Er sagte, Mellitus sei jetzt an einem anderen Ort.«
Das konnte man durchaus so sagen. »Hat Ihr Erleuchteter auch gesagt,
was genau passiert ist?«
»Nur, dass er sicher sei, bald eine neue Offenbarung zu empfangen.
Bis dahin sollten wir einfach unser Vertrauen schulen.«
»Haben Sie nicht genauer nachgefragt?«
»Warum?«, antwortete Fiducia. »Ich habe
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