Honigsüßer Tod

Gegensatz zu ihm immerhin jemanden im Arm gehabt hatte und sich
nicht die Nächte allein vor dem Fernseher oder mit irgendwelchen Basteleien
vertreiben musste?
    Der Journalist neckte ihn weiter. »Habt ihr gute Gespräche geführt?
Au Mann, da geht’s hinter den Mauern dieser Sekte sicher heftiger zur Sache …«
Er war nicht mehr zu bremsen. »Und deine Elke mittendrin … «
    Hummel hatte für sich selbst Verständnis, als er nun die
Beherrschung verlor: »Du bist ein oberflächlicher Idiot geworden, Klaus. Und
noch dazu ein … ein sozial inkompetenter!«
    Das saß.
    »Aha«, gab Klaus zurück. »Der sozial inkompetente Idiot ist gestern
Abend ohne seinen Kumpel zum Sonnenhof gefahren und hat noch mal in der Kneipe
mit diesen Leuten aus dem Dorf gesprochen.« Wütend gab er seinem Kadett die
Sporen. »Und wozu? Um rauszukriegen, was mit deiner Elke los ist.«
    »Nein«, widersprach Hummel. »Um noch mal Stoff für eine weitere
Geschichte zu haben. Wenn du schon nur zwei Stunden täglich in der Redaktion
sitzt, musst du wenigstens abends was zu dem Fall liefern.«
    Sie kabbelten sich oft, aber das war nach längerer Zeit mal wieder
ein richtiger Streit. Fast wie damals, mit 16, als
Klaus mit dieser toupierten Brünetten um die Häuser und sonst wohin gezogen war
und deshalb Hubertus vernachlässigt hatte. Auch jetzt schien sich indirekt
wieder eine Frau zwischen sie zu stellen. Nur waren sie mittlerweile 30 Jahre älter.
    Nach dem Tempo zu schließen, mit dem Riesle nun auf die Ortseinfahrt
von Schwenningen zuraste, war er tief getroffen. Zwar konnte auch Hummel für
gemeinhin ganz gut schmollen, aber in der derzeitigen Lage musste er wohl
Großmut zeigen und einlenken. Schließlich nutzte es weder Carolin noch Elke,
wenn sie hier direkt neben der Polizei-Fachhochschule einen Unfall bauten.
    »Okay«, sagte Hummel. »Ich nehme das mit dem ›sozial inkompetent‹
zurück.«
    Riesle reduzierte die Geschwindigkeit minimal. Von 90 auf 85. Nun waren sie
bereits innerorts. »Und den ›Idioten‹ und das andere auch. Lass uns jetzt
professionell vorgehen.«
    Riesle drosselte das Tempo auf 70. Das
war für seine Verhältnisse in geschlossenen Ortschaften völlig normal. Die
Krise war überwunden.
    »Wenn jemand von den Sektenheinis bei dieser Imker-Vorführung ist,
werden wir ihn ausquetschen«, kündigte er an. Und dann: »Jetzt zu meiner
Neuigkeit …«
    Die schien Hummel aber nicht gerade brennend zu interessieren.
»Vielleicht ist Edelbert auch auf dem Landesgartenschau-Gelände. Neuerdings
probt er fast rund um die Uhr, um die verlorene Zeit wegen der rausgeschmissenen
Schauspieler wieder reinzubekommen«, sagte er gedankenverloren.
    »Eigentlich ein Witz, dass diese ›Kinder der Sonne‹ echten Kindern
ihre Sektenprodukte vorführen dürfen«, monierte der Journalist. War das
vielleicht auch eine Geschichte?
    Hummel stimmte einerseits zu. Andererseits war sein Hass auf die
»Kinder der Sonne« nach der schönen Nacht mit Carolin nun nicht mehr ganz so
groß. Irgendwie schien ihm jetzt, als beträfe ihn das Ganze etwas weniger. »Die
haben halt offenbar den besten Honig weit und breit und dazu ein paar
Auszeichnungen. Und Straftaten kann man diesem Lucidus und seinen Leuten ja
wohl nicht nachweisen …«
    »Oho! Neuerdings sehr liberal, der Herr«, spottete Riesle. »Willst
du aber nicht endlich wissen, was ich herausgefunden habe?«
    »Aber sicher«, antwortete Hummel so überzeugend wie möglich.
    »Also, pass auf.« Schwungvoll nahm der Kadett eine Ampel bei
Dunkelgelb. Das daneben angebrachte Radar-Blitzlicht schien sich zu überlegen,
ob es auslösen sollte. Es entschied sich dagegen. Wahrscheinlich nur, weil
Wagen und Besitzer alte Bekannte und schon häufiger fotografiert worden waren.
    »Mellitus ist wenige Stunden vor seiner Ermordung noch im Dorf
gesehen worden«, sagte Riesle triumphierend.
    »Oh«, antwortete Hummel, um seinem Freund eine Freude zu machen.
»Aber ist das denn so ungewöhnlich?«
    Riesle fixierte Hummel und nahm die nächste Ampel in Richtung
Bahnhof. Diesmal bei Rot. Er wusste, hier drohte kein Blitzer. »Erstens ist es
doch schon ungewöhnlich, dass einer dieser Sektenheinis nach draußen geht, und
zweitens …«
    »Wer hat ihn denn eigentlich gesehen?«
    »Der Wirt. Stell dir vor, dein Kumpel Riesle hat mit dem Wirt noch
ein paar Schwarzwälder Kirschwasser getrunken und …«
    »… ist dann besoffen nach Hause gefahren, obwohl er schon mal den
Führerschein wegen Alkohol