Honigsüßer Tod
Sommergrippe«,
diagnostizierte ein anderer. Und der Dritte meinte etwas altklug: »Bestimmt
Fructoseintoleranz. Hat mein Bruder auch.« Er hatte auch noch einen guten Rat:
»Hinsetzen und nach vorne beugen. Auf keinen Fall nach hinten, sonst wird das
Blut verschluckt.«
Riesle blickte aufmerksam um sich. »Hätte ich mir denken können«,
brummte er dann Hubertus zu.
»Was?«
»Der dort hinten.« Der Journalist wies auf einen schnauzbärtigen
Mann in gestreiftem Hemd und brauner Stoffhose, der nur wenige Meter weiter in
Richtung der »Partnerschaftsgärten« auf einer Bank saß und betont unauffällig
die aktuelle Ausgabe des »Kurier« las.
»Das ist Geppert. Oberkommissar. Wundert mich nicht, dass die
Polizei diesen Termin auch im Auge hat.«
Während einige Besucher Honiggläser kauften und andere die Listen
mit Goldmedaillen und anderen Auszeichnungen des Sonnenhof-Honigs studierten,
knüpfte sich Riesle Sanus vor.
»Hallo, Riesle vom ›Kurier‹: Wir kennen uns vom Sonnenhof. Sie haben
doch die Leiche gefunden.«
Der zurückhaltende junge Mann schien nicht besonders erpicht auf
diese Konversation zu sein. Er nickte scheu und schaute hilfesuchend zu
Glaubensbruder und -schwester, doch die waren mit dem Honigverkauf beschäftigt.
»Hatte Mellitus eigentlich Feinde?«, fragte Riesle nun.
Sanus schüttelte den Kopf. »Wir sind ein Orden der Liebenden – und
der Friedfertigen.«
Der etwas stereotype Text kam Riesle bekannt vor. »Warum darf Ihre
Gemeinschaft hier überhaupt Honig präsentieren?«, fragte er dann.
»Weil wir die meisten Preise in der Region erhalten haben. Unser
Blütenhonig hat im letzten Jahr mehrere Auszeichnungen bekommen – unter anderem
eine Goldmedaille vom Landesverband badischer Imker. Und unser Weißtannenhonig
erst!« Jetzt schien Sanus etwas aufzutauen.
»Der Bezirksimkerverein hätte die Präsentation doch sicher lieber
selbst gemacht, oder?«, forschte Riesle.
Hummels Blick fiel derweil zum ersten Mal auf den Werbezettel, den
ihm der alte Mann zuvor in die Hand gedrückt hatte. Von wegen Werbung:
»Sektenhonig – ein fader (Bei)Geschmack«, lautete die Überschrift.
Sanus schaute beunruhigt, denn der Inhalt des Flugblattes war ihm
wohl ebenfalls bekannt. Der ältere Mann war nicht untätig geblieben und hatte
das Pamphlet auch unter vielen anderen Besuchern verteilt.
Hummel überflog den Text. Es wurde kräftig gegen die »Kinder der
Sonne« gewettert. Von einer »üblen Sekte« war die Rede und davon, dass es ein
Skandal sei, dass diese auf der Landesgartenschau auftreten dürfe. Rund um den
»Sektenhof« solle man wegen der »Faulbrut« ein Sperrgebiet einrichten.
»Was ist eine Faulbrut?«, fragte Hummel.
»Eine bakterielle Bruterkrankung bei Bienen«, antwortete Sanus
leise. »Sie ist anzeigepflichtig – und wenn sie festgestellt wird, gibt es eine
Sperrzone rund um den Bienenstand.«
»Und die gibt’s bei Ihnen?«
Sanus schüttelte den Kopf. »Dieser Kaltenbach nennt uns nur immer
so: Faulbrut. Weil er der Meinung ist, wir würden nichts arbeiten und nur von
Spenden leben. Er will es nicht besser wissen.«
Riesle staunte. »Clever, dieser Herr …« Er schaute auf das Impressum
des technisch eher einfach aufgemachten Flugblattes: »Julius Kaltenbach. Bei
jemandem, der sich halbwegs auskennt, bleibt nur hängen, dass der
Sonnenhof-Honig in Verbindung mit dieser Faulbrut-Krankheit genannt wird.«
»Wieso verklagen Sie ihn nicht?«, fragte Hummel.
»Lucidus sagt: Um zu wissen, dass man im Recht ist, braucht man
keine irdischen Richter.«
Da war es wieder, dieses Getragene, Abgehobene, das Hubertus so
nervte.
»Hier gibt es gar keine Werbung für Ihre Gemeinschaft. Warum nicht?«
»Wir hatten die Auflage, nur über unseren Honig informieren zu
dürfen, nicht aber über die spirituellen Erkenntnisse der Sonnenkinder«, sagte
Sanus. »Weder schriftlich noch mündlich.« Er schaute Hummel nicht wütend, nicht
aggressiv, eher freundlich an. Dem Lehrer war klar: Dieser junge Mann glaubte
an Lucidus, und egal, ob er gehirngewaschen, problembeladen oder was auch immer
war – er schien überzeugt.
»Haben Sie sonst noch einen Verdacht, wer außer Imkern Mellitus
Böses wollte?«, fragte Riesle wieder.
Sanus zuckte erneut mit den Schultern. Das schien seine
Hauptbeschäftigung zu sein. Aus den Partnerschaftsgärten kam nun der
Kriminalbeamte in Zivil auf sie zu.
Riesle beachtete ihn nicht, sondern schaute sich nach Kaltenbach um.
Doch der war nicht mehr zu
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