Honigsüßer Tod
Chef …«, setzte Winterhalter erneut an, kam jedoch nicht zu
Wort.
»Dieser Pfarrer will womöglich was vertuschen«, meinte Thomsen mit
Blick auf den Geistlichen, der wenige Meter entfernt das »Gotteslob« noch
fester umklammerte. Der rote Einband bog sich schon.
Winterhalter schnaufte vernehmlich. »Egal, was der Herr Pfarrer dort
erfahren hat: Wenn er es Ihnen weitersagen würde, könnte er exkommuniziert
werden.«
Das musste man nicht mal einem Gemüts-Atheisten wie Thomsen
erklären. Der Norddeutsche merkte allmählich, dass er wohl etwas zu weit
gegangen war.
»Wie sind die Befragungen verlaufen?«, kam er deshalb auf ein
anderes Thema.
»Gut«, sagte Winterhalter. Er erstattete Bericht und kündigte an,
die Alibis der Vernommenen noch überprüfen zu lassen.
Einmal juckte es Thomsen noch: »Und diesen Pfarrer! Ich werde
wenigstens dafür sorgen, dass der auch eine DNA -Probe
abgeben muss.«
»Normalerweise müssten Sie jetzt erst mal ein halbes Dutzend
Reuegebete sprechen und dann Ihr Monatsgehalt in den Opferstock schmeißen«,
sagte Winterhalter und zog Thomsen sanft, aber bestimmt von der Kirche weg.
18. Imkerhof Kaltenbach
War der Sonnenhof schon abgelegen, so schien das Häuschen
von Imker Julius Kaltenbach wirklich im tiefsten Schwarzwald zu liegen.
Hubertus hatte aufgehört zu zählen, wie oft sie noch ein Seitensträßchen
genommen hatten, ehe sie endlich am Ende eines schmalen, lang gezogenen Tales
auf das mit Schindeln besetzte Häuschen zufuhren. Zum Glück hatte Klaus sein
Navigationsgerät mitgenommen, denn erst an der letzten Abzweigung hatte ein
Schild auf den »Imkerhof Kaltenbach« hingewiesen.
»Hof scheint mir etwas übertrieben. Ist wohl eher ein Imkerhöfchen«,
lästerte Klaus.
Hubertus gefiel das kleine, morbide Haus mit der verwitterten
Fassade. Es erinnerte ihn ein wenig an sein eigenes winziges Wochenendhäuschen,
das er sich in der Nähe von Villingen zugelegt hatte. Sein fachmännisches Auge
erkannte, dass auch hier einiges zu reparieren war. Der Dachstuhl hing schon
etwas durch, die Schindelfassade hatte Risse, und ein paar Fensterscheiben
waren gesplittert. Man hätte das Häuschen glatt für unbewohnt halten können.
»Hat was von einem Hexenhäuschen. Würde mich jetzt nicht wundern,
wenn gleich das Fenster aufginge und ein altes Weib mit Kopftuch, krummer Nase
und Warze darauf herausschaute.«
Riesle stimmte zu und parkte den Wagen vor der Einfahrt, die direkt
in den Dachstuhl des Gebäudes führte. Steile Hanglage. Das Haus hatte
Schwarzwald-typisch ein überdimensional wirkendes Walmdach, das an den Seiten
beinahe bis zum Boden reichte. Es hatte fast den Anschein, als würde sich das
Häuschen vor dem rauen Klima in den Hang hinein und unter das Dach verkriechen
wollen.
Der Journalist betätigte zweimal die Hupe. Vielleicht war es besser,
den Hausbesitzer vorzuwarnen. »Da hat’s bestimmt keine Klingel«, rechtfertigte
er sich.
Sie stiegen aus, liefen am Haus entlang und den Hang hinunter. Aus
dem Seitentrakt des Gebäudes hörten sie Hühner gackern. Vor der rustikalen
kleinen Eingangstür lag eine offene Feuerstelle. Das Rinnsal einer Quelle
gluckerte daneben vor sich hin und ergoss sich in einen hölzernen Bottich.
»Hallo, Herr Kaltenbach!«, rief Hummel.
Doch die Antwort, die vom Seitentrakt kam, war nur ein »Määäh«.
»Schafe hat er auch noch. Wohl ein kompletter Selbstversorger«,
bemerkte Riesle.
»Und dort oben sind vermutlich die Bienenstöcke.« Hummel zeigte auf
die kastenähnlichen Gebilde, die ein paar Meter weiter oben am Hang zu kleben
schienen. Auf der anderen Seite des Tales war das Gefälle geringer. Doch ein
Blick auf den Horizont verriet, dass dies die der Sonne zugewandte Seite war.
Durchaus ratsam, auf jener Seite zu wohnen, dachte sich Hummel. Denn im Winter
konnte es in diesen engen Schwarzwaldtälern empfindlich kalt und schattig
werden. Da war man um jeden noch so spärlichen Sonnenstrahl froh.
Riesle klopfte ein paar Mal kräftig gegen eines der Fenster. Keine
Antwort. Dann nahm er den schnörkellosen, gusseisernen Griff der Haustür in die
Hand. Offen. Natürlich. »Mit Einbrechern rechnet er wohl nicht.« Klaus betrat
den finsteren, kleinen Gang und rief noch einmal nach Kaltenbach. Nichts.
»Klaus, lass uns später noch mal herkommen. Wir können da doch nicht
einfach hineinspazieren.«
»Aber natürlich können wir. Das siehst du doch.« Schon hatte Klaus
die rustikale Wohnstube betreten. Kachelofen, niedrige
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