Honigsüßer Tod
der Herr Pfarrer schon vorzeitig aus dem Beichtstuhl kam – noch
dazu, während auf der anderen Seite ein reuiger Sünder saß.
17. Ein katholischer Kommissar
Jene zwei Zeugen, die Kommissar Winterhalter auf dem
Rathaus vernommen hatte, hätten unterschiedlicher kaum sein können. Der erste
war überaus schrullig. »Imker Julius Kaltenbach«, wie er sich vorstellte, war
ohne Alibi und trug einen alten, ranzigen Pullover. Er hatte üppigen Haarwuchs,
vor allem aus der Nase, und gab an, sich im möglichen Tatzeitraum auf seinem
abgelegenen Hof in der Nähe von Großbiberbach aufgehalten zu haben – »ganz
allei’, ich bin ja no’ en Jungg’sell«.
Noch?, fragte sich Winterhalter. Der durch die natürliche Höhensonne
Gegerbte war laut Personalausweis über 60. Ein
Alter, das man ihm durchaus ansah. Die Falten hatten sein Gesicht tief
zerfurcht. Und er war nicht gerade das, was man eine gepflegte Erscheinung
nannte. Das tat seinem Optimismus aber wohl keinen Abbruch, bei der Suche nach
der Richtigen noch fündig zu werden.
»Wie sind Sie überhaupt auf mich g’komme’?«, fragte Kaltenbach
grantig.
«Mir verfolget alle Spure und sind Ihne’ keine Reche’schaft
schuldig«, passte sich nun Winterhalter dem rauen Wälder-Tonfall an. In diesem
Fall würde man wohl mehr aus dem seltsamen Zeugen herausbekommen, wenn man
Dialekt sprach.
Die Sekte hatte großen Verkaufserfolg mit ihrem Honig. Das konnte
doch gerade in solchen Krisenzeiten Neider wie Kaltenbach auf den Plan rufen.
Der war der nächstgelegene Imker und schien seiner Erscheinung nach eher in
ärmlichen Verhältnissen zu leben.
»Kannte’ Sie den Imker der Sekte?«, fragte Winterhalter.
»Aha, do weht de’
Wind also her. Ihr verdächtigt mich.« Zeitungen schien der Mann immerhin
zu lesen. Oder zumindest am Dorfklatsch teilzunehmen.
»Nit direkt!«
»Nit direkt, was soll des heiße’?«, polterte der Zeuge. Dabei drang
ein Schwall des schalen Mundgeruchs zu Winterhalter hinüber. Sogar er, der
eigentlich recht hart gesotten war, musste die Luft anhalten. Der
Kriminalbeamte beschloss, wieder auf Hochdeutsch umzuschalten. Sich mit diesem
Kaltenbach gemein zu machen war wohl doch nicht ratsam.
»Diese ›Kinder der Sonne‹ sind ja ziemlich erfolgreich mit ihrem
Honig, nicht wahr?«
Die Äderchen auf Kaltenbachs wulstiger Nase wurden dick vor
Aufregung. »Ich mag’s nit, wenn sich andere in meinem Gebiet tummle. Noch dazu
solche Irre. Und ich war scho’ früher da als die. Oder würdet Sie des möge’,
wenn plötzlich einer e’ zusätzliche Polizei eröffne’ tät?«
Das sei ja wohl etwas anderes, sagte der Kriminalbeamte. Er
verkörpere ja schließlich den Staat.
Winterhalter erinnerte sich, dass es in großen Teilen des
Schwarzwaldes im vergangenen Jahr ein Bienensterben gegeben hatte – auch in der
Nähe seines Heimatortes. »Welche Auswirkungen hatte denn dieses große
Bienensterben auf Ihre Imkerei?«
»Des hat mir scho’ Sorge g’macht, auch wenn ich mich insgesamt nit
wege’ de’ Nachfrage beschwere’ kann.« Er sei ja nur ein kleiner Imker.
»Gibt es durch solche Ereignisse so etwas wie Solidarität zwischen
den Imkern?«, wollte Winterhalter noch wissen. »Es sind doch fast alle im
Schwarzwald davon betroffen.«
»Solidarität? Für oder gege’ was?«, fragte Kaltenbach zurück. »Gege’
diese Varroamilbe, die sich bei de’ Biene’ festgebisse’ und des ganze
Biene’sterbe verursacht hat?«
Mit anderen Imkern habe er keine Probleme – und auch denen sei der
Sonnenhof ein Dorn im Auge. Nicht zuletzt, weil keiner wisse, wie viele
Bienenvölker die wirklich verloren hätten. Und wie viele Völker sie überhaupt
besäßen. Das seien üble Geheimniskrämer – in jeder Hinsicht.
Auf die Frage, ob er mit einem freiwilligen DNA -Test
einverstanden sei, reagierte der Imker erst mal mit einem unwirschen
»Neumodische’ Scheißdreck«. Der Kommissar erklärte ihm, dass man durch eine
Speichelprobe seine Identität bestimmen könne. »Des muss ich mir no’ gut
überlegge’«, raunzte der Imker.
Winterhalter beschloss, es nach Möglichkeit so einzurichten, dass
Thomsen bei der Abgabe der Probe zugegen war. Allein der Gedanke daran
bescherte ihm einige Minuten der Vorfreude.
Der letzte Vernehmungskandidat war ein krasser Gegensatz zu Imker
Kaltenbach: ein parfümierter, freundlich auftretender Anzugträger Anfang, Mitte
40. Sein grau meliertes, kurz geschnittenes Haar
verlieh ihm eine seriöse Note. Er nannte sich
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