Honigsüßer Tod
Brindurs
Worte: Habt Geduld und schult euer Vertrauen«, mahnte sie. »Ich hoffe nur, dass
Lucidus noch am Leben ist. Ohne ihn könnte ich mir kaum vorstellen, wie es mit
den ›Kindern der Sonne‹ weitergehen sollte.«
»Ich wüsste ja, wie es mit dir weitergehen könnte, liebe Elke«,
schaltete sich nun Klaus ein, der seine Nervosität mit Geplapper überbrückte.
»Du gehst mal schön wieder in die Villinger Südstadt zurück und kümmerst dich
um deinen Hubertus, deinen Enkel, um Wäsche und Haushalt.« Hatte er sich vorhin
beim Abhören noch Momente der Sentimentalität erlaubt, war er jetzt wieder ganz
der Nachrichtenjäger Riesle. Der Zyniker. Der Unsensible. Dazu hatte das Leben
ihn gemacht.
Genüsslich biss er in das »Fleischküchle«, das er sich noch kurz vor
Ladenschluss in der Großbiberbacher Metzgerei geholt hatte.
Im Sonnenhof war jetzt wieder Andromeda an der Reihe: »Ich weiß,
dass ich mich in Geduld üben und Vertrauen beweisen muss. Aber es ist nicht
einfach. Solange Lucidus auf dem Sonnenhof war, hatte ich Zuversicht, dass sich
meine … speziellen Probleme lösen ließen.« Sie schluchzte so, dass Riesle seine
Frikadelle zur Seite legte.
Wieder raschelte es im Funk.
»Meine Liebe, was meinst du mit deinen speziellen Problemen? Kann ICH dir vielleicht dabei helfen? Sprich dich ruhig bei
mir aus«, sagte Elke behutsam.
»Fiducia. Ein schöner Name – und ein Name, der Vertrauen heißt. Ich
möchte dir mein persönliches Schicksal anvertrauen, denn du bist …«
»Oh Mann«, meldete sich der unzufriedene Lauscher zu Wort. »Müsst
ihr denn so schwülstig daherreden?«
»… ein wunderbarer Mensch. Es ist für mich wirklich eine große
Bereicherung, dich kennengelernt zu haben. Ich fühle mich sehr zu dir
hingezogen. Wir sollten keine Geheimnisse voreinander haben.«
»Ja, genauso war’s früher zwischen Hummel und mir«, kommentierte
Riesle launig und nahm einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche.
»Zumindest, bis diese Carolin aufgetaucht ist.«
Gelegentlich hatte sich Riesle auch schon dabei ertappt, wie er
abends auf dem Sofa mit den Personen im Fernseher sprach. Das begann bei einem
noch gewöhnlichen »Gib doch ab« beim Fußball-Länderspiel und endete damit, dass
er sich in eine Schauspielerin verliebte und ihr seine Zuneigung kundtat.
Neulich hatte er gar bei einer Wiederholung den »Weißen Hai« beschimpft. Selbst
ihm schwante, dass das ein eher bedenkliches Zeichen zunehmender Vereinsamung
war.
»Nicht nur diese wunderbare spirituelle Atmosphäre hat mich auf den
Sonnenhof zurückgebracht«, erzählte Andromeda. »Bei meinem ersten Aufenthalt
war ich dabei, als Lucidus eine Art Wunderheilung an einem kranken Mann
vorgenommen hat. Die anderen haben mir erzählt, dass er schon mehrere
Schwerkranke von ihren körperlichen Leiden befreit hat …«
»Na, jetzt wird’s doch mal interessant«, meldete sich Riesle. Auch
wenn er das Gespräch mitschnitt, so machte er sich doch nebenher ein paar
Notizen.
Andromeda weinte schon wieder, wenn auch nur leise, doch dann fasste
sie sich wieder. »Fiducia, auch ich bin körperlich schwer krank. Man sieht es
mir vielleicht nicht an.«
»Was ist es denn?«, fragte Elke betroffen.
»Krebs. Ich habe seit meiner Rückkehr einmal im Monat eine
Heilungssitzung mit Lucidus gehabt. Ich habe auch das Gefühl, dass es mir dank
des geweihten Honigelixiers besser geht. Aber nun? Was soll aus mir werden? Wie
soll es mit der Heilung weitergehen? Ich weiß, dass die Heilung der Seele
wichtiger ist. Aber so sind wir Menschen doch, dass wir das eine nicht vom
anderen trennen können …«
Dies eine Mal unterließ Riesle einen bissigen Kommentar. Er hörte,
wie Andromeda schluchzte. Es raschelte. Offenbar hatte Elke sie in den Arm
genommen und an das Amulett gedrückt. Hoffentlich fiel der Stein nicht ab. Der
Sender wäre unweigerlich zum Vorschein gekommen.
»Ach, Kleines.« Elke schien von der Schwester- nun in eine Art
Mutterrolle zu schlüpfen. Etwas älter als die Novizin war sie ja immerhin. »Das
tut mir sehr leid. Aber denk daran, was Brindur uns gesagt hat. Ich habe gerade
vorhin wieder ein gutes Gespräch mit ihm geführt. Vertrauen haben und voller
Vorfreude auf die Offenbarung warten. Du weißt ja: Wenn die Sonne nur noch
einen Fingerbreit über dem Horizont steht, dann werden wir uns in der Aula des
Lichts versammeln.«
Riesle öffnete die Tür des Kadetts, beugte sich aus dem Wagen und
schaute nach der Sonne. Sie strahlte
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