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Honigsüßer Tod

Honigsüßer Tod

Titel: Honigsüßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Alexander; Ummenhofer Rieckhoff
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unterbrochen worden. Es kam zu einer Diskussion zwischen dem
Mann am Mikrofon und zwei, drei aufgebrachten Dorfbewohnern, darunter dem Wirt.
    Na also, dachte Riesle. Das ist doch direkte Demokratie in
Reinkultur. Auch wenn nicht alle der fallenden Ausdrücke unbedingt
parlamentarisch wertvoll schienen. »Dubel« zum Beispiel.
    Ohnehin waren die Argumente sicherlich alle schon dutzendfach
ausgetauscht. Die Mobilfunkskeptiker hatten Angst vor Krankheiten und konnten
auf diverse Studien verweisen. Außerdem beklagten sie die Verschandelung der
schönen Schwarzwald-Landschaft. Die andere Seite verfügte über ähnlich viele
Studien, die besagten, dass Erkrankungen aufgrund des Mobilfunks keiner
wissenschaftlichen Prüfung standhielten.
    Das bestritt ein anderer Mann, der nun auf das Podium kletterte. Er
sah aus wie ein Imker. Der schräge Kaltenbach war es aber nicht. Der Mann wurde
von Dr.   Duffner als »Elektrosensibler« vorgestellt – und der weiße Anzug hatte
nichts mit Honig, sondern mit Strahlenschutz zu tun. Er berichtete von seiner
Odyssee von Funkloch zu Funkloch. »Wenn wir uns nicht wehren und der
Mobilfunkmast kommt«, sagte er, »werde ich hier in einigen Monaten nicht mehr
stehen können.« Schon wenn er geringeren Dosen von elektromagnetischen Feldern
ausgesetzt sei, plagten ihn Kopfschmerzen und Übelkeit – regelmäßige
Zusammenbrüche seien die Folge. Und so müsse er im Wald zwischen Großbiberbach
und Langenschiltach in einem Wohnmobil leben. Wie es im Falle des Mastenbaus
mit ihm persönlich weitergehe, wisse er nicht.
    »Des isch doch en Irre«, rief einer der Gegendemonstranten.
    Dr.   Duffner griff sich wieder das Mikrofon. »Es gibt etliche
Gutachten, die bezeugen, dass von einer psychischen Erkrankung keine Rede sein
kann«, beschwichtigte er. Elektrosensibilität sei ein Krankheitsbild – und bei
seinem Patienten sei es deshalb so weit gekommen, weil er jahrelang selbst als
Mobilfunktechniker gearbeitet habe und deshalb einer besonders hohen Strahlung
ausgesetzt gewesen sei.
    »Mittlerweile gibt es offiziell in Deutschland eine
    Handy-Netzabdeckung von 99,1 Prozent«, sagte der Mann im Schutzanzug. »Es wäre wichtig, dass der Erhalt von
Funklöchern gesetzlich geschützt wird. Denn wo sollen Menschen wie ich sonst
hin?«
    »Hier isch jedenfalls kein Platz für Sie«, rief der Wirt, der die
Touristen schon fast sehen konnte, wie sie in sein Großbiberbach strömten, wenn
es endlich auf dem neuesten technischen Stand wäre.
    »Sie sind unmenschlich«, wies ihn eine Frau zurecht.
    »Wenn’s nach euch ging, würde mir no’ im Mittelalter lebe«, schrie
der Wirt jetzt. Die direkte Demokratie in Großbiberbach äußerte sich wirklich durchaus
rustikal.
    Riesle grinste. Aber nur kurz, denn dann schaltete sich der Bauer
wieder ein, mit dem er gerade noch gesprochen hatte. »Du bisch doch au’ einer
vo’ dene’, die gekauft worde’ sind, damit sie im G’meinderat für de’ Mascht
abstimme’«, brüllte er den Wirt an. Aha, der war also auch Großbiberbacher
Volksvertreter.
    »Du bisch doch eh gege’ alles. So richtig bigott. Es geht um
d’Zukunft – und ohne Handy-Empfang habe’ mir keine«, schrie der Wirt wieder.
    »Mit Krebs hasch du aber kei’ Zukunft«, brüllte Bauer Brändle
zurück. »Krebs! Kapier’sch du des? Isch dir klar, wa’ des a’richte’ kann?«
    Riesle überlegte, ob er eingreifen sollte. Aber eigentlich war es
ganz interessant. Dafür bat Dr.   Duffner vom Podium her um Mäßigung.
    »Dieser Mobilfunk-Berater: Wissen Sie, wie der heißt und wo er
wohnt?«, fragte der Journalist nun Brändle.
    »In Schwenninge’. Und de’ Name: Konzmann heißt der Kriminelle. Der
hät die Hauptschuld an dem Maschte. Zusamme’ mit dene ganze Korrupte hier im
Dorf.«
    Konzmann, Schwenningen. Riesle würde sich den Namen merken.
    Er nickte Bauer Brändle zu und lief in Richtung des Wirtes, der
gerade mit dem Pfarrer diskutierte. Letzterer versuchte ebenfalls, zur
Deeskalation der Situation beizutragen.
    »Gut, dass ich Sie treffe, Herr Pfarrer«, sagte Riesle. »Sagen Sie
mal: Wie war denn das mit diesem Mellitus im Beichtstuhl? Was hat der Ihnen
eigentlich gesagt?«
    Dass es dem Wirt nicht recht war, dass Riesle dessen Beobachtung an
den Pfarrer weitergab, leuchtete Riesle ja im Nachhinein noch ein. Dass der
Gottesmann ihn aber einfach stehenließ, empfand er schon als etwas unhöflich.

24. Abgehört
    Klaus Riesle spürte ein Kribbeln in der Magengrube. Ja,
diese Aktion

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