Honigsüßer Tod
nähern.
Hinter einer Bank, auf der das Abzeichen des Schwarzwaldvereins prangte und die
zwischen zwei mächtigen Fichten wenige Meter von der Kapelle entfernt stand,
verschanzten sie sich, als ginge es darum, Feuerschutz zu haben.
Den brauchten sie vielleicht sogar, denn als sie durch die Schlitze
der Rückenlehne in Richtung Kapelle lugten, sahen sie, dass der Mann in Weiß
ein Gewehr in der Hand hatte. Er hatte mittlerweile neben dem Kapelleneingang
Position bezogen. Hummel und Riesle erstarrten.
In diesem Moment trat Brändle, sich bekreuzigend, vor die Kapelle.
Weit kam er nicht, denn der Mann in Weiß hielt ihm nun das Gewehr an den
Hinterkopf.
»Bauer Brändle«, sagte er. »Dreh dich langsam zu mir um. BITTE .«
Der war mindestens genauso darüber überrascht, in den Lauf einer
Waffe zu schauen wie darüber, wer ihm da gegenüberstand. Dazu fiel ihm auf,
dass dies offenbar sein Gewehr war.
Fast hätte er sich erneut bekreuzigt. »Du … Du lebsch wirklich noch?«
Lucidus nickte: »Deine negativen Gedanken und Aggressionen hatten
zweifelsohne auf Mellitus mehr Wirkung als auf mich.«
»Der Brändle war tatsächlich der Mörder dieses Sektenimkers?«,
flüsterte Riesle leise. »Und bei Lucidus war’s dann eher ein Mordversuch? Oder
eine Verwechslung? Wer ist aber dann an seiner Stelle gestorben?«
Brändle fand zunächst keine Worte. »Ja, aber … Aber du warsch doch
tot?«
»Nein. Du hast mir lediglich geholfen, meinen Plan zu erfüllen. Und
der Plan ist entscheidend für die Zukunft der ›Kinder der Sonne‹.«
Brändle kam ebenso wenig mit wie die beiden Zaungäste.
»Welcher Plan? Und wer war der Tote, der ausg’sehe hat wie du?«
»Doch ein Doppelgänger«, flüsterte Riesle.
»Mein treuer Apricus.« Lucidus rückte seine Brille zurecht und
lächelte sanft. Noch immer hielt er die Waffe auf Brändle gerichtet. »Er gab
für mich sein irdisches Dasein auf. Für mich und unsere Gemeinschaft. Und du
hast perfekt mitgespielt. Wir haben dich nur ein wenig gereizt. Hast du dich
nicht gewundert, als ich dir nach dem Mord an Mellitus als Kompensation für den
Tod von Animosa eine lächerliche Summe anbot? 500 Euro für das Leben deiner Tochter. Glaubst du wirklich, ich hätte allen Ernstes
gedacht, dass du einen solchen Betrag annimmst? Nicht du, Bauer. Nicht du. Ich
wusste, dass du nicht auf das Geld aus warst, als du zum vereinbarten
Treffpunkt kamst. Du wolltest meinen Tod wie den von Mellitus. Und meinen Tod
solltest du vermeintlich bekommen.«
»Ihr Mörder! Animosa! Wenn ich des scho’ hör! Ihr habt sie
vielleicht so g’nannt. Erika hät sie g’heiße’! Ihr habt mir mein Liebschtes
g’nomme’. Und des wär’ die gerechte Strafe g’wese’. Gerecht – auch im
biblische’ Sinne. Kei’ sinnlose Gewalt – ei’fach euch des zurückgebe’, was ihr
ihr angetan habt.«
Lucidus verzog keine Miene. Seine azurblauen Augen waren immer noch
fest auf den Bauern gerichtet, ebenso die Waffe. »Du hast sie selbst
vertrieben. Deine alten und überholten Einstellungen – damit konnte sie nichts
anfangen. Sie ist aus freien Stücken zu uns gekommen. Bei uns hat sie eine
positive Spiritualität und ihre Glückseligkeit gefunden. Sie hat ihr Karma
weiterentwickelt.«
»Glückseligkeit, dass ich nit lach’. Was war denn des für e’
Glück?«, erregte sich nun Brändle. »Ei’g’sperrt habt ihr meine Erika. Ich hab
sie nit mal b’suche’ dürfe’. Hab sie nur ab und zu vo’ meinem Hochsitz aus
sehe’ könne’, wie sie bei euch durch de’ Park spaziert isch.«
»Wir haben sie nicht eingesperrt. Sie kam freiwillig und blieb
freiwillig.«
»Eines Tages hab ich’ sie gar nimmer g’sehe’.« Der Bauer ballte die
Fäuste. »Dann bin ich e’ paar Woche’ später zu eu’rem Imkerhäusle und hab den
Mellitus g’fragt, was mit meiner Tochter los sei. Zuerscht wollt er mir nix
sage. Aber irgendwann hat ihn des schlechte’ Gewisse’ geplagt. Sie hat Leukämie
g’habt. Ich weiß nit, warum. Vielleicht wege’ dieser Scheiß-Strahle’, die es
überall gibt. Und jetzt wolle’ die noch direkt hierher en’ Handy-Mascht
hinbaue. Aber was mei’ selige Tochter betrifft: Anstatt sie in e’ anständiges
Kranke’haus zu bringe’, habt’ ihr, du und de’ Mellitus, an ihr rumgepfuscht.
Mit eurem Honig, Ihr Kriminelle! Ich hass’ euren Honig! Ihr habt mei’ Tochter
auf’m G’wisse’! Ihren Tod habt ihr nit mal g’meldet. Vertusche’ wolltet ihr des
Ganze. Ohne ordentliche
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