Honigsüßer Tod

sonst.
    »Bevor du mich tötesch, sag mir nur: Wie hasch du es g’schafft, nit
nur mich, sondern auch die Polizei zu täusche’? In de’ Nachrichte’ isch
g’komme’, dass du laut DNA -Test auch tatsächlich
die verbrannte Leiche bisch. Wie kann des angehe’?«
    Lucidus lächelte wieder verklärt. »Ach, die weltliche Macht ist
leicht- und irrgläubig. Sie ist viel zu technikfixiert. Die DNA gilt als ein Allheilmittel, aber ist doch von
Menschenhand abhängig. Als ich nach Mellitus’ Ermordung vom lieben Bruder Sanus
benachrichtigt wurde, bin ich ins Imkerhäuschen geeilt. Dort habe ich die
Blutspuren entdeckt. Die Karte des heiligen Ambrosius war ja auch eine klare
Botschaft dafür, dass nur du der Täter sein konntest – mit deinen negativen
Gefühlen für Mellitus und mich.«
    Während seines gesamten Monologs ließ Lucidus den Bauern nicht aus
den Augen, dessen Nasenbluten mittlerweile nachgelassen hatte. Dafür war nun
das Hemd blutverschmiert.
    »Es wäre ein Leichtes gewesen, dich der Polizei auszuliefern. Aber
ich hatte andere Pläne mit dir. Ich habe der Polizei einen freiwilligen DNA -Test unserer Gemeinschaft angeboten. Nur um zu
zeigen, dass der Täter nicht aus unseren Reihen stammte. Beim Test haben
Apricus, der mir von allen Brüdern am ähnlichsten sah, und ich die Stäbchen
vertauscht. Das war noch leichter und die Polizei noch unaufmerksamer, als ich
dachte. Und damit war klar: Wir mussten unseren Apricus äußerlich nur noch
etwas mehr mir angleichen, und schon würdest du darauf eingehen. Apricus war
stolz, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen. Meine Gedanken sind bei ihm.«
    Hummel und Riesle starrten immer noch zwischen den Holzlatten
hindurch. Sie waren wie gelähmt.
    »Wir ›Kinder der Sonne‹ wollen keiner Kreatur etwas zuleide tun.
Aber es geht hier um ein höheres Ziel. Etwas Höheres als wir beide, Bauer. Und
nun ist es Zeit für den Abschied.«
    Hummel und Riesle schauten sich verzweifelt an. Konnten sie noch
einschreiten? Doch der Bauer kam ihnen zuvor. »En Augenblick no’«, rief der.
    Lucidus nickte mit einem verklärten Blick. Die letzte Neugier
Brändles zu stillen, schien ihm Ehrensache.
    »Warum denn des Ganze? Wenn du doch g’wusst hasch, dass ich euch
nach’m Lebe’ trachte. Warum de’ Doppelgänger und de’ DNA -Tausch?«
    Lucidus richtete einen Moment lang seinen Blick in Richtung
Brändlehof. Alles schien ruhig. »Ich habe dich als Werkzeug gebraucht. So will
ich dich nun auch wissen lassen, warum.«
    »Der Typ ist ein Irrer«, murmelte Riesle vor sich hin. Dieses
Dauer-Freundliche irritierte ihn zutiefst. Und dann diese leuchtend blauen
Augen. Er konnte sich jetzt mehr denn je vorstellen, wie entrückt Lucidus auf
dem Offenbarungs-Video ausgesehen haben musste.
    »Ich teile das Schicksal deiner Tochter. Auch meine sterbliche Hülle
ist von Leukämie befallen. Wahrscheinlich ausgelöst durch Strahlen, bevor ich
vor ein paar Jahren in dieses Tal kam. Mit dem Honigelixier habe ich auch an
mir Heilungsversuche durchgeführt. Aber bei mir ist es wohl ebenfalls zu spät.
Schon bald werde ich der Sonne entgegengehen.«
    »Ein Wunderheiler, der sich selbst nicht helfen kann«, flüsterte
Riesle. Hummel blieb wie immer in solchen Situationen still.
    »Aber wieso dann de’ ganze Aufwand, um deine Identität zu
verwische’? Wenn du doch eh stirbsch?«
    »Meine Zeit ist noch nicht abgelaufen. Die Sonne hat mich für die
letzten Tage auf diesen Planeten gerufen, ich werde in den Süden wandern, um
dort mit dem Sol zu verschmelzen.«
    Nun schaute Lucidus noch entrückter als sonst.
    »Meine Brüder und Schwestern hätten es zudem nicht verkraftet, wenn
ich sie einfach verlassen hätte oder meine Hülle trotz des geweihten Honigs
hier an dieser Krankheit zugrunde gegangen wäre. Meine Kraft als Wunderheiler
scheint mit meiner eigenen Krankheit erloschen zu sein. Also musste ich
beziehungsweise Apricus für mich eines unnatürlichen Todes sterben. Und so
gabst du mir die Gelegenheit, für das Wohl meiner Gemeinschaft vorzusorgen.«
    Für einen Augenblick schien es so, als würde er die Bank am Waldrand
fixieren. Doch er redete ungerührt weiter.
    »Nachdem du Apricus erschossen hattest, habe ich deine Spuren
verwischt und das Fahrzeug angezündet, sodass man die Leiche nicht mehr erkennen
konnte. Und der Verdacht sollte jemand anderen treffen. Jemand mit negativen
Gedanken. Jemand, dem Geld wichtiger ist als die Seele.«
    Hummel brummte der Schädel.
    »Dafür habe ich