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Honigtot (German Edition)

Honigtot (German Edition)

Titel: Honigtot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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Albrechts Blick umfasste die Burg, den Tisch und die Bediensteten.
    „Sehr schön. Wie wäre es, wenn uns Ihre reizende Begleitung eine Kostprobe ihres Könnens gewährt, von dem Sie uns so lobend berichtet haben?“ Frank war offensichtlich zu dem Schluss gekommen, dass es sich nicht lohnte, am heutigen Abend eine politische Diskussion loszubrechen. Er und der oberste SS-Mann im Deutschen Reich, Heinrich Himmler, waren sich seit jeher spinnefeind und lieferten sich einen andauernden und zähen Privatkrieg um die Zuständigkeiten im Generalgouvernement Polen. Reinhard Heydrich hingegen, als Leiter des Reichssicherheitshauptamtes Albrecht Brunnmanns direkter Vorgesetzter, schien Frank das kleinere Übel zu sein. Er wurde von all seinen Mitarbeitern nur `Chef´ genannt, daher Franks Anspielung.
    Deborah war Franks Aufforderung gerne nachgekommen und hatte sich bereits zu dem Flügel begeben, der am Ende des Saals auf einem kleinen Podium stand. Sie sang und musizierte über eine Stunde lang und avancierte damit zum strahlenden Mittelpunkt des Abends.
    Für ein nicht einmal achtzehnjähriges Mädchen an der Schwelle zur Frau war dies eine vollkommene, eine neue Welt, eine Parallelwelt voller Schein und Sein, und für eine Weile versank Deborah völlig in ihr und ließ sich von ihr blenden.

 
     

    Kapitel 39
     
     
    DIE HÖLLE IST LEER
     
    An jenem Abend auf der Wawel-Burg lernte Deborah auch Marlene Kalten kennen. Sie war die Geliebte eines hohen Wehrmachtsoffiziers und bezeichnete sich selbst als Schauspielerin. Sie war nur wenige Jahre älter als Deborah und auf Anregung Albrechts, der es guthieß, dass Deborah Anschluss gefunden hatte, verabredeten sich die beiden jungen Frauen für den kommenden Vormittag in der Lobby des Grand Hotel.
    Deborah wartete bereits auf sie, als Marlene die riesige Eingangshalle betrat, von der eine herrschaftliche Treppe in den ersten Stock hinaufführte.
    Marlene Kalten war eine kapriziöse kleine Person mit Stupsnase und einer zierlichen Figur. Sie war nicht eigentlich schön im klassischen Sinne, glich dies aber durch ihr Lachen und ihre Fröhlichkeit aus, die so ansteckend wirkte wie ein Schnupfen.
    Deborah mochte sie sofort gut leiden. Besonders gefiel ihr Marlenes drollige Art, sich betont französisch zu geben, wobei ihr französischer Wortschatz mit alors, Chérie und très chic aber bereits erschöpft war.
    Marlene weilte bereits seit über einem Jahr in Krakau und kannte sich ausgezeichnet in der Stadt aus. Die beiden jungen Frauen wollten - natürlich - einkaufen gehen, wofür Marlene, wie sich herausstellte, eine nicht minder große Leidenschaft hegte wie ihre junge Freundin.
    Marlene hatte einen eigenen Fahrer zur Verfügung und nachdem sie dem Mann ihre Anweisungen übermittelt hatte, meinte sie an Deborah gewandt: „Es ist wirklich eine Schande, aber das jüdische Viertel gibt es nicht mehr. Dort konnte man nämlich absolut très chic einkaufen, ganz besonders, was Schmuck und exquisite Pelze anbetraf. Die Frau unseres Generalgouverneurs war dort häufig anzutreffen. Sie besitzt einige einzigartige und kostbare Stücke.“ Marlene schloss die Augen und seufzte voller Inbrunst, als würden ihre Finger in Gedanken über samtweiches Fell streicheln.
    Marlene wollte Deborah Krakau zeigen, daher begannen sie ihren Ausflug zunächst mit einer Stadtrundfahrt. Deborah gefielen die eng aneinandergebauten Bürgerhäuser und die mittelalterliche Prägung der kopfsteingepflasterten Gassen.
    In den frühen Morgenstunden hatte es eine Weile geregnet und so war der Tag relativ frisch heraufgedämmert, doch der Großteil der Wolken hatte sich inzwischen verzogen. Die Frühlingssonne kämpfte sich tapfer zwischen den verbliebenen Wolkenformationen hindurch und mühte sich, die Straßen zu trocknen. In den schmalen Gassen hing ein zarter, dunstiger Schleier, der die Stadt in ein gedämpftes, unwirkliches Licht tauchte. Als würde sie verborgene Geheimnisse hüten , überlegte Deborah.
    Vielleicht lag es an den bequemen Polstern und dem gleichmäßigen Summen des Fahrzeuges, vielleicht war es auch die fremde Stadt oder einfach nur der permanente Schlafmangel, der schließlich von Deborah seinen Tribut forderte. Jedenfalls rückte Marlenes Stimme immer weiter in den Hintergrund und Deborah überkam ein merkwürdiges Gefühl der Losgelöstheit, als würde sie nicht in diese Gegenwart gehören. Sie wollte weglaufen, sah, wie sich ihre Beine bewegten, aber so sehr sie auch darum kämpfte,

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