Honigtot (German Edition)
allein die Familie von Stetten und ich wünsche nicht, dass ein Wort darüber dieses Haus verlässt. Sie haben einen lukrativen Auftrag erhalten. Ich hoffe, wir verstehen uns, Herr Fugga?“ Dem alten Fugga, der glaubte in seinem Leben noch nie einer so beeindruckenden Frau begegnet zu sein, schnürte es die Kehle zu. Er schluckte und brachte kein Wort heraus. Eingeschüchtert konnte er bloß nicken. Allzu gut hatte er verstanden, dass ihm die sagenhafte Baronin soeben auf elegante Weise die Pistole auf die Brust gesetzt hatte.
Allerdings wusste er, dass er wegen dieser Angelegenheit ein ernstes Wort mit seinem Sohn reden musste. Er war an sich ein guter Junge und neigte nicht zu Prahlereien - wenn er nüchtern war. Leider trank sein lediger Sohn mit seinen Kumpanen am Wochenende im „Bierkutscher“ gerne einen über den Durst.
Frau von Stetten schloss die Tür hinter sich, nahm den tragbaren Telefonhörer auf und wählte eine der eingespeicherten Nummern. Die freundliche Stimme eines jungen Mannes meldete sich.
„Grüß Gott, hier ist Evelyn von Stetten. Könnte ich bitte den Bischof sprechen, es ist dringend.“
„Einen Moment, bitte.“ Sie wurde sofort verbunden, im dortigen Büro war selbstverständlich bekannt, dass es sich bei der Anruferin um die Schwägerin des Bischofs handelte.
„Was gibt es denn so Wichtiges, meine Liebe?“, meldete sich eine angenehm jovial klingende Stimme.
„Grüß dich, Franz. Ich brauche deine Hilfe. Sofort“, erklärte ihm seine Anruferin ohne Umschweife. Und dann schilderte sie ihm ihr Dilemma.
Zwei Stunden später fuhr der Bischof von Bamberg, der seinen gesamten Terminplan umgeworfen hatte, in einem dunklen Mercedes vor. Seine Schwägerin erwartete ihn bereits auf der Freitreppe und geleitete ihn in die Bibliothek.
Bischof Franz von Stetten, der die Leidenschaft für Bücher mit seinem älteren Bruder Heinrich teilte, nahm eine erste Sichtung des Fundes vor und war von der Vielfalt und der Qualität der Werke elektrisiert. Beinahe minütlich zog er eine neue Kostbarkeit hervor, darunter eine Vielzahl von wissenschaftlichen Abhandlungen, angefangen vom 11. bis ins 18. Jahrhundert hinein. Zitternd vor Aufregung thronte er inmitten der Folianten auf dem Teppich und konnte sich kaum entscheiden, welches der Werke er zuerst aufschlagen sollte.
Etwas war dem Bischof aber gleich zu Beginn aufgefallen: Die meisten der Bücher hatten zur Zeit ihrer Veröffentlichung auf dem kirchlichen Index gestanden, ihr Besitz war als Ketzerei und Häresie angeprangert worden. Von einigen anderen hatte er noch nie gehört. Ob es sich hier um die letzten Exemplare verschollener Werke handelte, die dem Feuer der Ignoranz seinerzeit entkommen waren? Eines war jedoch klar: In seiner Gesamtheit stellte dieser Fund tatsächlich einen unermesslichen Schatz dar. Zwei besonders dicke Bände entpuppten sich als Attrappen. Er fand darin jeweils ein 30x20 cm großes, verschlossenes Kistchen aus gehämmertem Blech. Ihr Inhalt war schwer und klimperte. Vermutlich Münzen. Da er auf Anhieb die Schlüssel dazu nicht entdecken konnte, legte er sie zunächst beiseite. Ihn interessierten sowieso viel mehr die Bücher. Auch die lederne Karte eines fernen Landes, die aus einem der Bücher rutschte, legte er beiseite.
Nachdem er eine ganze Weile in den kostbaren Schriften geschwelgt hatte, rief er nach seiner Schwägerin und unterbreitete ihr eine Idee, die in ihm herangereift war: Da sein Bruder Heinrich in weniger als sechs Wochen seinen 70. Geburtstag feierte, würde er, Franz, alle Bücher aus dem Versteck mitnehmen, katalogisieren und am Morgen des Geburtstages zurückkehren, um die Bücher in dem klimatisierten, den Raritäten vorbehaltenen Raum der Bibliothek auszustellen. Die Freude über den kostbaren Fund würde bei seinem Bruder hoffentlich so groß sein, dass er seiner Frau das eigenmächtige Handeln bei der Sanierung stante pede verzeihen würde. Erwartungsgemäß war Evelyn von dem Plan sehr angetan. Gemeinsam verstauten sie die Bücher in mehreren eilends herbeigebrachten Weinkisten, die sie mit Decken auslegten, um die wertvolle Fracht zu schützen, und packten sie in den Kofferraum des Mercedes.
Zum Schluss holte der Bischof noch die beiden verschlossenen Blechbehälter aus der Bibliothek und deponierte sie neben sich auf dem Beifahrersitz. Er verabschiedete sich von seiner Schwägerin mit den Worten, dass sie sich keine Sorgen machen solle und er sich in den nächsten Tagen
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