Honky Tonk Pirates - Das vergessene Volk - Band 2
und lachte mit ihm. Solange er heult, werden die Menschen ihn lieben.
Sie nahm ihren Vater bei der Hand und lief mit ihm zurück in die Höhle. »Kommt«, sagte sie so laut, dass die Soldaten sie hörten. »Lasst uns noch ein paar Säcke tragen, damit wir auch ganz bestimmt übermorgen fertig sind.«
Ihr Optimismus riss die Männer und Frauen ihres Volkes mit sich. Die hatten ihre Unterhaltung mit angehört, und während sie vor den Soldaten die Säcke mit einer Kraft, die diese sich nicht erklären konnten, auf ihre Schultern hievten, dachten sie alle lachend dasselbe: Solange er heult, werden die Menschen ihn lieben.
Talleyrand ballte die Faust vor Wut um den alten bunten Lederbeutel. Er stand auf dem Kamm der Kraterwand und blickte auf die Bucht mit seinen Schiffen hinab, zu denen der unermüdliche Strom der Eingeborenen seinen Schatz schleppte.
»Und?«, fragte einer der drei vermummten Vertrauten, die neben ihm standen. »Was haben sie vor? Könnt Ihr die Gedanken der Wilden lesen?«
Der Schwarze Baron lächelte bitter. »Und ob ich das kann.« Er hob seine andere Hand, auf der ein silberner Einsiedlerkrebs über seine Fingerknöchel kroch. »Er hier verleiht mir die Fähigkeit,
während der …«, er öffnete langsam die Faust, »… mich stark sein lässt und vor Erschöpfung bewahrt.Wenn ich ihn trage, muss ich gar nicht mehr schlafen. Und wenn man nicht schlafen muss, braucht man auch nicht mehr zu träumen.« Er hüstelte. Das war die einzige Form von Lachen, die ihm die Gier noch gelassen hatte, und schaute über den See und den Wasserfall hinaus auf die Steppe. Der fast volle Mond erhob sich über die Berge und seine Strahlen trafen den Goldenen Diskus auf der Spitze der Felsnadel, die sich in ihrer Mitte erhob.
»Geht zu dem Diskus«, befahl der Baron. »Geht jetzt schon dorthin, damit ihr auch sicher dort seid, wenn sie morgen Abend um diese Zeit ihr kleines Wunder erwarten. Ich möchte die Enttäuschung auf ihren Gesichtern sehen, wenn sie erkennen, dass es nichts mehr zu träumen gibt.« Er hüstelte trocken. »Sind die Kanonen aufgestellt und getarnt? Ist das Pulver auch ganz sicher trocken?«
»Sie werden von unseren Männern bewacht. Fünf Mann pro Geschütz. Das macht 65 zusammen. Sie haben sich heute während des Tages im Kreis um die Felsnadel mit den Geschützen in die Erde gegraben.«
»Das kenne ich doch.« Talleyrand schmunzelte düster. »So haben wir schon die Preußen besiegt.«
»Die und noch andere«, grinste der vermummte Soldat.
»Gut«, nickte Talleyrand und ging in sein Zelt, das nur ein paar Meter entfernt im Mondlicht leuchtete.
HELD JO
J o hatte nach seiner Flucht aus der Höhle das verlassene Dorf erreicht, und er hatte sich dort neben der obersten Plattform unter den Wurzeln eines Baumes versteckt. Doch das war genau die Stelle, an der Aweiku seinem besten Freund Will verraten hatte, wie sehr sie ihn liebte. Und Will, der liebte sie auch. Das hatte er ihr gesagt. Sie waren so glücklich gewesen und ihr Glück hatte das ganze Dorf angesteckt. Es war wie ein Traum, der Wirklichkeit geworden war, doch jetzt war Jo wach.
Er war wach und spürte, wie ihn die Angst zu lähmen begann. Alle Menschen, die er liebte, alle Menschen, bei denen er sich zum ersten Mal in seinem Leben so sicher und glücklich gefühlt hatte, befanden sich in der Gewalt des Schwarzen Barons. Und der würde sie töten. Das hatte ihm Moses gesagt: »Talleyrand wird sein Versprechen nicht halten.Auch wenn wir ihm alles geben, was er verlangt.«
Das hatte Jo verstanden. Doch eines verstand er nicht. Moses wollte, dass Jo ihnen half. Aber wie sollte das gehen? Er war doch erst zehn und konnte nicht kämpfen. Er konnte niemandem etwas zuleide tun, geschweige denn töten. Und was noch viel schlimmer war: Jo war allein, so allein wie noch nie, und das Dorf war verwaist. Es war eine Geisterstadt, und die prächtigen
Blüten, in denen man wie auf Wolken schlief, verwandelten sich vor Jos Augen zu tödlichen Fallen. Überall hörte und sah er Talleyrands Männer, die schon nach ihm suchten, und je länger er in seinemVersteck saß, desto mehr rollte er sich in sich zusammen. Er steckte den Kopf in den Sand und weinte. Er weinte, weil er so feige war und weil er, wie er glaubte, die Schuld daran trug, dass Hannah und Will hatten fliehen können. Nur mit Hilfe seiner Erfindungen waren sie in der Lage gewesen, den Rochen allein zu segeln. Ohne seine Erfindungen hätten Hannah und Will, die beiden besten
Weitere Kostenlose Bücher