Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)
auch keinem beweisen. Aber sie schworen hier nicht, um sich zu beschützen. Es ging nicht darum, jemanden nicht auf die Insel zu locken. Es ging hier darum, dass niemand die Insel verließ, um vielleicht zu erfahren, dass Will doch noch lebte und was Nat damit zu tun hatte, dass er jetzt nicht mehr bei ihnen war.
Deshalb schlich sich Jo nach dem Schwur heimlich davon. Er nutzte die freudige Stimmung der anderen aus, eilte zum Gipfel der Insel empor und versteckte sich dort im Tatonka. Er kroch unter eine der großen Kanonen und traute sich noch nicht einmal ein Feuer zu machen. Er lag zitternd da und dachte nur eins: Will ist nicht tot. Nein, Will ist nicht tot. Doch das durfte er keinem anderen sagen. Denn wenn Nat erfuhr, dass Jo sein dunkles Geheimnis ahnte und kannte, würde er ihn auf der Stelle töten. Das hatte Jo in Nats Augen gesehen:
Er würde ihn töten. Jo konnte vor Panik an nichts anderes denken, und er erschrak deshalb, als ihn jemand – er musste vor Erschöpfung doch eingenickt sein – urplötzlich an den Schultern packte.
»Hey, Jo, komm, wach auf, du wirst sonst erfrieren«, hörte er die Stimme von Tanja und sah im nächsten Augenblick in Moses’ Gesicht.
»Und außerdem solltest du vorsichtiger sein«, meinte Tabea.
»Du redest im Schlaf.« Tujana und Teh nickten besorgt.
»Und das, was du sagst, sollte nicht jeder hören«, warnte ihn Moses. »Auch wenn man es dir nicht glauben wird.«
»Aber ich glaube es, Moses, nein, ich weiß es bestimmt. Will ist nicht tot.« Jo war hellwach. »Und wenn ihr mir helft und mich zu einem Drachenboot bringt, dann werde ich es euch beweisen. Dann komme ich wieder und bringe Will mit.«
»Auch wenn Nat dich dafür töten wird?«, fragte Theres.
»Auch dann«, nickte Jo und zitterte gleichzeitig nicht mehr vor Kälte, sondern vor Angst. »Ich weiß nicht, aber da ist etwas Schlimmes passiert. Und es passiert noch viel Schlimmeres, wenn keiner was tut.«
»Das denken wir auch«, bestätigte Moses. »Also, komm mit. Du musst dich beeilen. Nat ist schon misstrauisch geworden. Siehst du, er kommt mit seinen Indianern hierher. Und wenn du hier wegwillst, muss es heute geschehen. Morgen ist es dafür sicher zu spät.«
Jo schielte über die Reling des Bisons und sah die Schatten der Männer, die gerade den Kraterrand erklommen.
»Komm!« Moses packte ihn und trieb ihn zur Eile. »Bevor sie hier oben sind, musst du außer Sichtweite sein. Weit weg von der Insel.«
Sie rannten auf der gegenüberliegenden Kraterseite den Berghang hinab.
»Und wenn ich es nicht schaffe?«, wollte Jo atemlos wissen.
»Dann jagt er dich, Jo, und dann wird er die Twins und mich dafür bestrafen, dass wir dir geholfen haben!«
»Dann lasst mich allein!«, befahl Jo energisch. »Haut ab, geht zurück und beschützt alle anderen, die nichts von dem ahnen, was wir ahnen, hört ihr! Und erzählt Nat, dass ich weg bin. Ich hab mich irgendwo in den Löchern versteckt oder in den Gängen und ihr habt nur noch das hier gefunden.«
Er warf ihnen die Mütze zu, die sein Talisman war. Das Einzige, was er von seiner Mutter besaß und was ihn an sie erinnerte.
»Ich schaff das allein. Immerhin habe ich die Drachenboote damals gebaut und bin mit ihnen von der Antarktis aus einmal um die ganze Welt gesegelt.«
Er rannte zum Strand, sprang in eines der pfeilschnellen Boote der Roten Korsaren, das in den Felsen vertäut am Strand lag, und paddelte durch die gefährliche Brandung. Wer konnte ihn jetzt noch aufhalten? Ha! Er ließ das Drachensegel steigen und im selben Moment frischte der Wind auf: als wär er sein Freund und Verbündeter. Er zog das kleine Boot aus den Wellen, stellte es auf die beiden Kufen am Bug und ließ Jo auf ihnen Richtung Horizont fliegen. Ja, und dort verschwand Wills bester Freund nur eine glückliche Sekunde, bevor Nat den Tatonka auf dem Gipfel der Insel bestieg.
Der Weg führt nach Osten
etzt brauchen wir nur noch einen Kurs!«
Talleyrand schaute Will erwartungsvoll an, doch der war sprachlos, verdattert, verlegen, verwirrt. Er war jetzt Käpten. Er hatte ein Schiff. Das beste Schiff, das man sich vorstellen konnte. Doch er wusste nicht, was er damit anfangen sollte. Wo sollte er hinsegeln? Was war sein Ziel? Oh, Rache an Nat. Die wollte er, ja. Und er wollte natürlich Hannah erobern. Und Frieden stiften. Doch womit sollte er anfangen? Er hatte nicht den leisesten Schimmer.
»Vertraust du mir, Will?«, hörte er Talleyrand fragen und spürte die tiefe
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