Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)
meinen sechs Mädchen in die Rahen kletterte. Sie setzten die Segel und so weit war alles ganz normal. Das war schon an so vielen anderen Tagen passiert und trotzdem war dieser Morgen besonders. Es lag in der Luft. Der Wind roch danach und ich sah den Glanz in den Augen der anderen. Selbst die gefangenen Gazellen, Antilopen und Rinder schienen davon verzaubert zu sein. Wir hatten sie gar nicht fangen müssen. Sie waren freiwillig zu uns gekommen. Denn sie schienen zu wissen, wohin wir sie brachten.
Nach Hause.
Ja, das waren die zwei kleinen magischen Worte, von denen dieser Morgen verzaubert war. Der Morgen, die Welt und unsere Herzen. Nats Herz und meines und so sehr ich Wills Tod hier und heute betrauere. So sehr ich diese Insel nach ihm benannt haben will, damit wir diesen fliegengeschissenen Höllenhund niemals vergessen, so sehr danke ich Nat, ja Nat, und jetzt euch für dieses Geschenk. Beim Pakt mit dem Teufel, das alles ist wahr. Honky Tonk Hannah, die nie ein Zuhause hatte, ist endlich da angekommen, wohin sie gehört.«
Sie lachte, sie strahlte, und Jo sah die Bernsteinfunkenfeuerwerke in ihren Augen, als sie ihre Arme um Nats Nacken schlang. Er sah, wie die Kinder begeistert klatschten. Er sah Cutter und Ratte vor Freude tanzen. O’Brian spuckte staunend aus. Finn umarmte seine Töchter, und obwohl sie alle vor Glück platzten, spürte Jo einen Schatten. Ja, Schatten war das richtige Wort für das, was sich für ihn vor die Begeisterung schob. Ein Schatten aus Zweifel, und Jo fühlte sich darin mehr als bestätigt, als er bemerkte, wie Moses ihn ansah. Moses und die sechs Triple Twins, die sich hinter Kahiki versammelten. Sie alle blickten jetzt zu Jo. Zu Jo, der Will am längsten kannte. Denn als Jo einen Herzschlag später drei Regentropfen auf die Nase platschten, wurde ihm klar, was er die ganze Zeit seit Wills Verschwinden bereits ahnte:
Will war nicht tot.
Jo wurde heißkalt. Er schwitzte und fror und erschrak fast zu Tode, als Nat sich plötzlich hinter ihn hockte und ihn mit seinen Armen umschlang.
»Und du, Jo, wirst mein bester Freund werden. So wie du es für Will gewesen bist. Willst du das, he?« Nat lachte ihn an und Jo nickte verlegen.
»Aber natürlich. Das werde ich sein. Ja, oder noch besser«, murmelte er. »Aber jetzt muss ich weg.« Er schlüpfte blitzschnell aus Nats Umarmung. »Ich muss hoch zum Bison. Da oben ist keiner, und so wie ihr hier plötzlich auftauchen konntet, kann jeder hierherkommen. Habe ich recht?«
»Ja, aber wer?«, lachte Nat. »Talleyrand oder Gagga? Die sind längst Futter für die Fische. Jo, bleib doch hier.« Nat erwischte Jos Ärmel. »Hey! Die, vor denen wir uns fürchten müssen, die müssen erst noch geboren werden!«
»Ja, ja, vielleicht!«, erwiderte Jo. »Bestimmt hast du recht. Aber warum mussten wir dann gerade schwören. Schwören, dass keiner die Insel verlässt?«
Es war plötzlich still. Zumindest für Jo. Alle anderen lachten und unterhielten sich weiter. Doch Nat sah Jo an und aus Nats Augen war alle Freundlichkeit verschwunden.
»Was willst du mir damit sagen, Jo?« Die Frage klang kalt, und Jo versuchte, sich aus Nats Griff zu befreien.
»Nun, ich bin nun mal so«, stammelte der Afrikaner verlegen. »Ich bin ein erbärmlicher Angsthase, Nat. Und übervorsichtig dazu. Deshalb, lass mich bitte los!«
Jo flehte ihn an und Nats Mundwinkel zuckten. Ja, ohne seine Angst hätte Jo das niemals gesehen. Er sah das Misstrauen in Nats Augen. Es blitzte kurz auf, kurz, doch kräftig, und dieses Misstrauen hatte einen gefährlichen Grund. Das wusste Jo jetzt, obwohl Nat ihn losließ.
»Okay, wie du willst!«, sagte er plötzlich wieder ganz freundlich. »Aber wir sind noch nicht fertig. Wir müssen noch schwören!«
»Nein«, lachte Hannah und nahm Jo in den Arm, »das müssen wir nicht. Das wollen wir, hört ihr. Wir wollen für immer auf dieser Insel bleiben. Wir werden das Herz aus Gold niemals verlassen. Das schwören wir im Gedenken an Will und den anderen großen Piraten: an Blind Black Soul Whistle, der wie Will nur dafür gestorben ist.«
»… dafür gestorben …«, hörte Jo sich selbst schwören, als schaute er sich beim Träumen zu. Beim Albträumen, ja, und dabei purzelten die Tränen aus seinen großen, runden Augen.
Das war eine Lüge, das spürte er deutlich. Und diese Lüge barg ein großes Geheimnis, eine große Gefahr, die nicht nur sein Leben bedrohte. Jo ahnte es mehr, als dass er es wusste, und er konnte es heute
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