Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)
du ihn aufpikst, spiel ich endlich mit. Das gestattet Ihr doch, bitte, Eure Huhps-Fulminanz!« Er schaute bittend zu Eulenfels.
Nat sprang Will hinterher. Mit beiden Klingen hieb er im blitzschnellen Wechsel auf seinen Kontrahenten ein. Will verlor dabei ein paar Locken. Ein Schlag riss seine Hose auf, kurz unter dem Knie. Dann brannte sein Arm, die Wange, die Schulter, und er rollte noch immer den Berg hinab.
»Die Welt ist zu klein!«, rief Nat triumphierend. »Und sie ist zu gut für Menschen wie dich. Wie dich oder Talleyrand und Eulenfels.« Er hieb auf Will ein, doch der bekam wie durch ein Wunder einen Fels unter die Füße, und der gab ihm den Halt, dass er aufspringen konnte.
»Das sagt ausgerechnet ein Verräter wie du!«, konterte er, parierte Nats Schlag, merkte sofort, wie sich das Heft des Samuraischwertes mit seiner eigenen Säbelklinge verhakte, und riss Nat die Waffe mit einem kurzen Schwung aus der Hand. »Du bist leider nicht gut genug. Es reicht nicht, hörst du, um mich zu besiegen …«
Er trieb ihn wieder den Hügel hinauf.
»Hannah, ich bringe dir jetzt deinen Mann, damit du siehst, wie er beim Sterben flennt. Du hast dich leider für den Falschen entschieden. Für den, der immer nur Zweiter ist.«
Er schlug wütend zu, bis Nats letzte Klinge zerbarst. Sie brach über dem Heft und Nat warf sie weg. Er ergriff einen Ast, der am Boden lag. Doch Will hackte ihn klein, und den Stein, den der Amerikaner danach schützend über seinen Kopf hob, pulverisierte der Säbel, als wäre er aus Sand.
Nat ging in die Knie. Er hatte verloren und Eulenfels triumphierte. Er sprang von seinem Thron.
»Das war’s. Wir haben gewonnen!« Er riss sich Hemd und Kragen auf, als hätte er diesen Kampf selber geführt. »Töte ihn, Will!«
Und Will nickte entschlossen.
»Ja«, hörte er sich mit vor Anstrengung bebender Stimme sagen. »Doch davor gebe ich euch noch eine letzte Chance. Jeder, der sich bereit erklärt, auf unsere Seite zu wechseln, wird von uns verschont.«
Er blickte zu den entsetzten Piraten.
»Er wird nur ein bisschen von uns gequält!«, freute sich Gagga und kratzte sich vergnügt den Schorf auf seinem Rücken.
Die vierhundert Kinder stöhnten auf. Will hörte die Schreie der beiden Damen.
»Will!«, rief Jo leise.
»Das darfst du nicht. Nein!« Und das waren die Stimmen von Rachel und Sarah. »Du darfst ihn nicht töten.«
»Ich bitte dich, Will!«, flehte Honky Tonk Hannah, und er sah sie an. »Du darfst Nat nicht töten. Denn wenn du ihn tötest, tötest du uns. Hörst du mich, Will. Keiner von uns wird seinen Traum aufgeben. Da sterben wir lieber.«
In ihren Augen stand pure Verzweiflung. Ja, diese Verzweiflung hatte sich Will gewünscht, und dieser Wunsch hatte ihn angetrieben, ihm Kraft gegeben und ihn zum Sieger gemacht. Er spürte, dass Talleyrand hinter ihm stand. Er spürte den Stolz seines neuen Freundes. Er stellte sich Eulenfels’ triumphierendes Lächeln und die Haifischaugen des Fliegenden Hundes vor.
»Töte ihn, Will!«, rief der Freiherr noch einmal, und Will ergriff den Säbel. Mit beiden Händen zog er ihn auf Höhe seiner Hüfte langsam zurück. Er holte weit aus, um die Waffe mit ganzer Kraft in Nats Körper zu stoßen. Er sah schon den Glanz in Nats sterbenden Augen verblassen. Da hörte er eine Stimme. Leise und hell. Sie kam irgendwo aus den Reihen der Kinder.
»Die Welt sollte doch mal andersrum sein!«
Das flüsterte sie und Will sah die Trauer in den Augen von Moses. Die Enttäuschung in denen vom kleinen Jo. Er sah O’Brian und Feuerkopf Finn und mit dem Vater von Rachel und Sarah kehrten seine Gedanken noch einmal zu den Niagarafällen zurück.
In die Ruine der Drachenburg. Er betrat die Kajüte des Dreispitzes, in der Whistle im Sterben lag, und er hörte ihn sagen:
»Mach nicht denselben Fehler wie ich. Töte nicht, hörst du. Töte niemals für deinen Traum, sondern sei nur bereit, für ihn zu sterben.«
Und da schoss es ihm wie ein Blitz durch den Kopf: Ein Traum, der verlangt, dass man für ihn tötet, ist kein richtiger Traum. Nein, ein solcher Traum ist nur Wahnsinn. Ein ganz böser Wahnsinn!
»Was macht er da?«, hörte Will Gaggas Stimme am Strand und kehrte mit seinen Gedanken auf die Insel zurück. »Was macht er da, Eulenfels?«
Und genau das war die Frage, die Will sich jetzt stellte: Was mache ich hier? Ich töte die Menschen, die mir am wichtigsten sind und für die ich schon so oft bereit war, zu sterben.
»Er gibt auf,
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