Honky Tonk Pirates - Der letzte Horizont: Band 6 (German Edition)
den hässlichen Milben irgendwo auf dem Meeresgrund. Also, besieg ihn. Geh, Nat, besieg ihn und rette uns.«
Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, und obwohl Will viel zu weit entfernt von ihr stand, als dass sie sein Gesicht hätte erkennen können, spürte sie doch den Stich, den sie seinem Herzen damit verpasste. »Du hast einen entscheidenden Vorteil, Nat. Du kämpfst für die Liebe und er nur für den Hass.«
»Dann sehen wir uns!«, antwortete Nat mit heiserer Stimme. »Entweder gleich hier oder später dort oben.« Er zeigte zum Himmel. Doch sie hielt ihn fest. Sie tat das Entgegengesetzte von dem, was sie sagte. Sie fühlte das Gegenteil. Sie hatte Angst. Angst, dass er nicht zurückkehren könnte.
Und er drückte sie weg. Er befreite sich aus ihrer Umarmung und ging in den Kampf.
Es kann nur einen geben
ill ließ Nat nicht aus den Augen. Der Amerikaner, wie er ihn zu Beginn ihrer Freundschaft in New York immer genannt hatte, kam langsam und lässig den Hang hinunter. Ja, Nat strahlte selbst jetzt diese absolut stolze Selbstsicherheit aus, die ihn in den Augen seiner Neider immer so arrogant erscheinen ließ. Doch Nat war eben einfach nur Nat. Er ruhte in sich wie kein anderer Mensch, dem Will bisher begegnet war, und wenn man in seiner Anwesenheit misstrauisch wurde, dann nur, weil man selbst unsicher war. Weil man nicht so in sich ruhte wie er und weil man Nats Bescheidenheit, seine zurückhaltende Art, zu schweigen, als Spott und Desinteresse empfand.
Wie hatte Will Nat damals bewundert und wie sehr hatte er sich darüber gefreut, als sie auf ihrer langen und abenteuerlichen Reise von der Mündung des Hudson in New York bis zu Finns Drachenburg bei den Niagarafällen zu unzertrennlichen Freunden wurden.
Doch schon nach ihrem ersten Kampf war diese Freundschaft zu Ende gewesen. Blind Black Soul Whistle hatte nicht den so coolen Nat, sondern Will für den Bund mit Hannah bestimmt und ihn mit der Piratin zur Hexe nach Rum Bottle Bottom geschickt: zum Tanz mit dem Teufel. Dort hatte Will für Hannah gekocht. Er hatte sie und ihr Herz erobert, doch dann hatte Nat es ihm wieder geraubt. Er hatte ihn zusammen mit seinen Feinden bei lebendigem Leib versenkt und dafür musste er büßen. Er und alle, die zu ihm hielten. Huh, und das waren ganz offensichtlich alle, die auf dieser Insel lebten. Denn alle, von denen Will einmal so überzeugt gewesen war, dass sie seine Freunde waren, erschienen jetzt hinter Nat auf dem Rand des Vulkankraters, blieben dort stehen und stärkten ihrem neuen Anführer den Rücken, indem sie ihm zeigten, dass sie bereit waren mit ihm zu gehen. Ja, sollte Nat sterben, waren auch sie zum Sterben bereit. Das galt sogar für die vierhundert Kinder und für einen Moment schien der Boden zu wanken. Will wurde schummerig bei diesem Gedanken – vierhundert Kinder –, und er taumelte leicht. Er sah Rachel, Sarah und Jo erschlagen vor sich auf dem Boden liegen. Und um sie herum lagen die anderen.
Doch Will konnte sich fangen. Es war nicht seine Entscheidung. Nein, jeder der heute sterben würde, tat das aus freien Stücken. Doch genau das war diese unvorstellbare Kraft, mit der Nat jetzt zu ihm herunterstieg. Will spürte das deutlich, als Nat ihn erreichte. Die Kraft von über vierhundert Freunden. Und Will war allein.
Nat sagte kein Wort. Er stellte sich einfach vor Will hin. In beiden Händen je ein Schwert. Das braune Leinenhemd hing in Fetzen um seinen muskulösen Körper, und seine Beine steckten noch immer in den lindgrünen Leggins, die Nat schon getragen hatte, als Will ihn zum ersten Mal traf. Ja, selbst als Käpten des Tatonka sah der Amerikaner wie ein schlichter Waldläufer aus. Einer, dem man nicht ansehen sollte, wer oder was er in Wirklichkeit war.
Will griff ohne Vorwarnung an und Nat parierte den Schlag mit beiden Schwertern. Oben auf dem Kraterrand stöhnten die Kinder enttäuscht auf. Denn die Klinge des Säbels hielt denen von Hannah mühelos stand. Nein, nicht nur das. Metallfunken sprangen aus den Samureischneiden, verbrannten im Flug, und Will sah, was sie aus den Schwertern machten. Sie zerfetzten die Schneiden. Will jauchzte auf.
»Das ist ein Säbel der Fliegenden Hunde. Den besaß damals schon Chen, als sie im Auftrag der Höllenkrieger Blind Black Soul Whistles Libertaria stürmte!«
Er ließ die Waffe um sich kreisen und überhäufte Nat mit einer Reihe von Schlägen. Er zielte auf Hüfte, Hals und Bein, und jedes Mal, wenn Nat seine Angriffe abwehrte,
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