Honky Tonk Pirates - Es kann nur einen geben - Band 4
blieb schließlich am Wasserfall hängen. Der stürzte keine zweihundert Meter entfernt über eine fast einen Kilometer breite Felsenklippe hinab.
»Papa?«, rief Sarah in die Stille hinein.
Doch es durfte nicht still sein. Das war nicht normal.
»Nein!«, rief Jo ängstlich, weil er sich plötzlich an etwas erinnerte.
Will, Whistle und Hannah traten besorgt an die Brüstung des Turms.
Das hatten sie alle schon einmal erlebt. Vor der Küste von Feuerland oder in der Lagune von Nassau. Nein, das hier war überhaupt nicht normal. Das war Teufelswerk! Und dieses Teufelswerk sorgte jetzt dafür, dass sich das Wasser des Flusses zurückzog. Der Niagara begann ganz langsam stromaufwärts zu fließen. Er staute sich vor den Fällen, die plötzlich versiegten. Dann hörten sie einen Schrei. Etwas Großes und Schwarzes erhob sich oberhalb der jetzt trockenen Felsen in den Sternenhimmel. Es spritzte eine Fontäne aus Luft und Wasser Richtung Mond, den plötzlich eine Wolke aus schwarzen Möwen umflatterte. Und dann stürzte sich Valas, der riesige Pottwal über die ausgetrockneten Fälle hinab. Er flog schreiend und brüllend
und als er zu Füßen der Klippen in den Fluss tauchte, kehrten alle Geräusche wieder zurück.
Das Wasser folgte ihm wie ein Schatten. Sein Donnern war wie das Echo des Schreis, den der Pottwal im Sturz ausgestoßen hatte und den er jetzt wieder ausstieß, als er sich mit einem zweiten und mächtigen Sprung aus dem Wasser erhob. Zwanzig, nein dreißig Meter sprang er in die Luft. Er sprang höher als die Spitze der Drachenburg und aus dieser Höhe lachte Prinz Gagga auf sie herab.
Der Neffe des Königs stand auf dem von schwarzen Möwen umkreisten Turm des Hummers und gestikulierte wild, als wäre er ein Dirigent.
»Oh, ist das schön!«, rief er begeistert und dann befahl er: »Eröffnet das Feuer! Spielt ihnen das Valaslied, das ich so mag! Valas, Bam, Valas!«, sang er und dirigierte. »Valas, Bam, Valas, Bam! Da-Ba-Da! Bam!«
Da drehte sich der Pottwal noch im Sprung zur Seite. Er drehte der Drachenburg seine Flanke zu, die Steuerbordflanke des künstlichen Hummers. Die auf dem Turm sahen alles genau. Sie sahen die Geschützluken, die sich öffneten. Sie sahen die schweren Kanonen, die von Muscheln und Algen bewachsen in ihnen steckten und sie sahen die Blitze, mit denen Talleyrands Männer das Feuer eröffneten.
»Zurück in den Turm! Lauft alle nach unten!«, schrie Blind Black Soul Whistle und schubste als erstes Salome und Ophelia in den Wehrgang hinab. »Los! Lauft schon! Los! Lauft! Und helft denen, die verletzt sind.« Er selbst stützte Theres und als er mit ihr den anderen folgte, zerfetzten die ersten Kanonenkugeln bereits die Brüstung des Turms.
Sie verfolgten ihn danach und während er und die anderen
die Serpentinen des Wehrgangs hinunterrannten, zerschmetterten die Kugeln die baumdicken Planken der Burgwände über ihren Köpfen, als bestünden die aus Stroh oder Schilf. Gaggas Geschütze rasierten den Turm von oben her ab und als auch die Backbordseite geschossen hatte, stand nur noch die Hälfte der einst stolzen Festung.
Die Verteidiger hatten den Steg auf Wasserhöhe erreicht und warteten atemlos auf die nächste Attacke,
»Wir haben keine Chance!«, keuchte Will. Er stand zwischen Hannah und Nat vor dem Dreispitz. »Ich hab es gesehen. Ich bin in Nassau gewesen, nachdem Talleyrands Männer mit Valas dort waren.«
Jo suchte die Hände von Rachel und Sarah. Doch die standen bei Finn.
»Das ist noch viel schlimmer als bei uns in Berlin«, jammerten sie leise und schmiegten sich ängstlich an ihren Vater.
»Komm!«, sagte Hannah und nahm Jos Hand. »Mir geht es nicht besser. Auch ich habe Angst und die ist noch größer, als die, die ich hatte, als ich an der Turmwand hing, um gegen die Mohawks zu kämpfen.«
Da spürten sie alle den Druck der Welle. Sie rollte langsam flussaufwärts auf sie zu. Gegen die Strömung. Am Anfang war sie kaum zu sehen. Nur eine leichte Erhebung wie vor einem Felsen, an dem sich das fließende Wasser bricht. Doch dieser Felsen war kein Felsen. Er war ein lebender, schwimmender Berg, und dieser Berg türmte die Welle jetzt vor sich auf. Drei, vier, fünf Meter wurde sie hoch und sie wuchs dann noch einmal um das Doppelte, bevor sie gegen die Turmwand prallte. Das Wasser spritzte durch die Planken und das versenkbare Tor brach aus der Führung, als hinter der Welle die Stirn des Pottwals
mit all seiner tonnenschweren Kraft gegen die
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